360 Italien. (Januar 24. 26.)
In der anderthalbstündigen Besprechung beim Minister des Auswär-
tigen erwidert Robilant auf die Darlegung der Delegierten, daß die Re-
gentschaft fest entschlossen sei, in der bisherigen Paltung. die dem Lande
die allgemeinen Sympathien erworben habe, zu verharren, es sei seine offen
ausgesprochene Ansicht, daß sofort nach der Rückkunft der Deputation in
Sophia die bulgarische Regierung eine definitive Entschließung fassen müsse.
Man müsse zwischen zwei Dingen wählen: entweder den gegenwärtigen pro-
visorischen Zustand aufrechterhalten, welcher, wenn fortgesetzt, Europa mit
Besorgnissen und Unbehagen erfülle und demnach den guten Gesinnungen
der Mchie gegen Bulgarien Eintrag thun und das Land im entscheidenden
Momente isolieren könnte, oder man müsse mit Rußland einen Ausgleich
suchen, welcher durch aufmerksame Inbetrachtziehung der Bestimmungen des
Berliner Vertrages und des Konstantinopler Protokolls nicht unmöglich sei;
Italien wolle keinen Rat erteilen, da es jeden Schein einer Einmischung in
die inneren Angelegenheiten Bulgariens zu vermeiden wünsche, welches allein
über die zur Erreichung des Resultates geeigneten Mittel zu beschließen
habe. Bei der ersten Begrüßung redet er die Delegierten an: „Seien Sie
willkommen im Lande von Freunden.“
Depretis bezieht sich in der kurzen Unterredung mit ihnen durchaus
auf die Aeußerungen Robilants und fügt hinzu, die Schwierigkeiten würden
mit Klugheit, und indem die Regenten auf dem Boden der Verträge sich zu
halten suchten, leicht überwunden werden.
Bei dem Besuche beim türkischen Botschafter Photiades Pascha
erklärt dieser, indem er die Delegierten einlädt, Konstantinopel zu besuchen:
„Ich bin von meiner Regierung ermächtigt worden, Sie zu empfangen und
Ihnen das Wohlwollen des Sultans für das bulgarische Volk und zugleich
seinen lebhaften Wunsch auszusprechen, daß die Krifis bald für Alle einen
befriedigenden Abschluß erreiche.“
Die „Opinione“ meint am 20: Es könne nunmehr als sicher an-
genommen werden, daß die Pforte nach Empfang der Abgesandten Vermitt-
lungsvorschläge machen werde. Diese würden auf dem Rücktritt der Regent-
schaft die Wahl einer neuen Sobranje und das Fallenlassen der Kandidatur
des Mingreliers hinauslaufen. Bulgarien möge diese Lösung annehmen, sie
verletze die Unabhängigkeit und Freiheit Bulgariens nicht. Die Kandida-
turen des Herzogs von Leuchtenberg oder des Prinzen von Oldenburg seien
auch ganz gut annehmbar, denn die Fürsten aus diesen geachteten und ehren-
reichen Familien würden in Bulgarien nach und nach doch ganz im natio-
nalen Leben aufgehen und gute Bulgaren werden.
24. bezw. 26. Januar. (Massaua.) Bei Beratung des Budgets
des Aeußern wird Graf Robilant sowohl in der Kammer wie im
Senat über die Lage in Massaua interpelliert, da Nachrichten von
einem bevorstehenden Angriffe der Abeffinier eingetroffen find.
Graf Robilant berichtet in der Kammer: Am 15. Januar sen-
dete General Gené eine Depesche, worin er mitteilte, daß Ras Alula, von
einer verunglückten Expedition auf Kassala zurückkehrend, ungefähr 65 Kilo-
meter weit von Massaua ein Lager aufgeschlagen, um, wie er wissen ließ,
mit seinen Mannschaften Feldarbeiten zu obliegen. Von dort nach Massaua
herabgelangte Kaufleute brachten jedoch die Nachricht, Ras wolle in Wahr-
heit einen Angriff auf Massaua vorbereiten. General Gené meldete, daß
er aus Vorsicht den Baschibozuk-Vorposten bei Sahati durch italienische
Soldaten verstärkt habe, übrigens zu irgend welcher Beunruhigung kein An-
laß vorhanden sei. Am 23. langte eine neue Depesche ein, welche, nichts