S#lien. (Mai 30.—Juni 3. bzw. 6.) 369
nehmigt den vom Kriegsminister verlangten Kredit zur Vermehrung
der Armee und Marine.
30. Mai. (Blokade gegen Abessinien.) Auf eine An-
frage in der Kammer bemerkt Ministerpräsident Depretis:
Alle Vertreter Italiens im Auslande hätten unter dem 1. Mai die
Weisung erhalten, die Blokade gegen Abessinien zu notifizieren. Die Türkei
drückte freundschaftlich den Wunsch aus, daß ihr die Notifikation nicht
schriftlich zugemittelt werde. Wir stimmten bei und gaben der Türkei Er-
klärungen über den Charakter der Blokade. Die Türkei machte keine wei-
teren Bemerkungen. Allen anderen Regierungen wurde die Blokade schriftlich
wtsieiert Bisher trafen seitens keiner Macht Bemerkungen oder Vorbe-
alte ein.
31. Mai. (Afrikanische Politik.) Deputiertenkammer:
Bei Beratung des Heeresetats gibt der frühere Kriegsminister Ri-
cotti Aufklärungen über die in Afrika befolgten Pläne.
Er sagt: Es handelte sich vor allem darum, aus Massaua mit
Arkiko, Otumlo und Mkullu ein befestigtes Lager zu machen. Gegen die
Abeffinier sollte niemals aggressiv vorgegangen werden. Der sanitäre Zu-
stand war, wie sich nun klar herausstellt, ein vollständig normaler; die
Engländer in Suakim waren viel schlimmer daran, und doch war die Wut
egen mich so groß, daß man mich am liebsten zum Fenster hinausgeworfen
Hlite Sahati sollte zum Schutze der Karawanen besetzt werden, doch war
General Genés aus militärischen Gründen dagegen. Der Minister des Aeu-
ßern aber, von dem vormals die Angelegenheiten von Massaua abhingen,
bestand darauf, und Sahati wurde besetzt. Nach der Katastrophe von Sabatl
wurden Gensé Verstärkungen versprochen, doch jedes Vorgehen gegen Abeffinien
verboten. Das Unternehmen von Dogali war ein tollkühnes, aber auch
heldenmütiges und hat dem militärischen Prestige Italiens genützt. General
Gené verdient uneingeschränktes Lob, weil er, von allen Seiten bedrängt,
niemals die Kaltblütigkeit verlor.
1. Juni. Die Kammer erklärt zum fünften Male die Wahl
des Zuchthäuslers Amilcare Cipriani in Ravenna für nichtig.
2.—3. Juni. (Heeresetat: Massaua.) Bei der Beratung
des Heeresetats wird die afrikanische Politik lebhaft erörtert.
Crispi sagt:
Man wolle keinen Krieg mit Abessinien, allein man müsse ein= für
allemal die Ansprüche Italiens auf einen seiner Lage und seinen Handel entspre-
chenden politischen Einfluß in Afrika durch eine rasche, kräftige That be-
festigen und zugleich den Barbaren zeigen, daß man nicht gewillt ist, ihre
ebergriffe zu ertragen. Es werde nicht dieses Kabinet sein, welches den
Rückzug der Truppen aus Massaua anordnen werde. (Lebhafter Beifall.)
3. bzw. 6. Juni. (Aussöhnung mit dem Papsttum.)
Die „Nuova Antologia“ veröffentlicht einen Artikel Bonghis,
welcher die Versöhnung als nützlich für das Papsttum wie für das
Königreich bezeichnet und sagt:
Bei der Fessesung der Mobalitäten gebe es zwei Dinge, welche un-
möglich seien: dem Papste ein Gebiet abzutreten und ihm irgend welche
Europ. Geschichtskalender. XXVIII. Bd. 24