Italien. (Juni 10. - 14.) 371
zu sorgen, daß sie geachtet werden, und sie wird dieser Pflicht beharrlich
nachkommen. Unsere Beziehungen zum Vatikan sind durch das (Garantie-)
Gesetz vom 13. Mai 1871 geregelt. Wir werden dieses Gesetz aufrechthalten
und nicht zugeben, daß es je verletzt werde. Wir suchen keine Aussöhnung,
denn der Staat ist mit Niemand im Kriege. Es geht uns nichts an, was
im Vatikan geschieht, wo ein Papst herrscht, der kein gewöhnlicher Mann
ist. Die Zeit läßt reifen, und sie kann auch Annäherungen heranreifen las-
sen, die aber niemals das nationale Recht beeinträchtigen dürfen. Italien
gehört sich selber an und hat nur ein Haupt: seinen König.“ (Beifall.)
Bovio erklärt sich durch diese Erklärungen befriedigt.
Einige Tage später bekennt sich bei Gelegenheit einer neuen
Anfrage Toskanellis auch Depretis in Uebereinstimmung mit
seinen Kollegen in dieser Sache.
10. Juni. (Antikirchliche Bewegung.) In Livorno stört
die Volksmenge die Fronleichnamsprozession durch Schleudern von
Steinen auf den Zug. Es entspinnt sich ein heftiges Handgemenge.
Das Militär schreitet ein und verhaftet 62 Personen; zahlreiche
Verwundungen.
12. bzw. 20. u. 27. Juni. (Zula.) In Beantwortung einer
Anfrage Bonghis, ob Frankreich noch Ansprüche auf Zula erhebe
und ob die Küste von Massaua bis zur Bucht von Hamsila ita-
lienisch sei, antwortet Min.-Präs. Depretis:
Frankreichs Ansprüche auf Zula und die Insel Dessy vor dem Golfe
von Zula ließen sich auf keinen Akt der Besitznahme stützen, diese Ansicht
der italienischen Regierung sei in Paris geltend gemacht und darauf die
Sache fallen gelassen worden, sodaß die Küste von Massaua südwärts für
italienisch gelten müsse. Dasselbe gelte von der Bucht von Hanabil.
Am 20. Juni meldet hierauf das „Journal des Déôbats“,
daß der französische Minister des Auswärtigen, Flourens, bei
Depretis habe anfragen lassen, ob er die von den Blättern gebrachte
Erklärung wirklich so gegeben habe, Depretis habe geantwortet,
daß er den genauen Text seiner Erklärung einsenden werde.
Am 27. schreibt sodann Crispis Organ „Riforma“ darüber:
Die französische Regierung werde hoffentlich keine Einwendungen
gegen die Erklärungen Depretis' erheben, wonach jene zwei Punkte in die
Aktionssphäre Italiens fallen. Für Frankreich haben Zula und die Insel
Dessy keinen praktischen Wert, während Italien beide zur Entfaltung seiner
Aktion unbedingt benötige. Italien baue auf Frankreichs Entgegenkommen.
14. Juni. Der ehemals Garibaldinische Abgeordnete und
eifrige Verfechter der Aussöhnung mit dem Papsttum, Fazzari,
legt sein Mandat nieder mit der brieflichen Erklärung,
daß er einer Kammer, welche ohne die Beteiligung der Katholiken
zu Stande gekommen, nicht angehören könne. In einem Schreiben an die
Wähler spricht Fazzari die Hoffnung, daß die nächste Kammer, Dank der
24“