372 Ilalien. (Juni 2te Hälfte.)
Großherzigkeit Leo's XIII., der Ausdruck des Willens der ganzen Nation
sein werde.
2te Hälfte Juni. (Mailänder Klerus.) Nachdem der
König dem milden und versöhnlichen Erzbischofe von Mailand den
Annunziaten-Orden verliehen hat, richtet der gemäßigte Teil des
Klerus der Diöbzese folgenden Brief an den König:
Majestät! Die hohe Auszeichnung, welche Eure Majestät dem ehr-
würdigen Oberhaupte der Mailänder Diözese zu verleihen geruhten, hat
uns als Staatsbürger sowohl als auch als Priester im tiefsten Herzen ge-
rührt. In diesem Akte erblicken wir zugleich mit der Hochherzigkeit des
Fürsten und der Ehre, die unserm Vater erwiesen wird, den Ausdruck des
schönen Wunsches nach Bereinigung von zwei edlen Gefühlen: der Liebe zum
Vaterlande und zur Religion. In der Vereinigung beider glauben wir das
Geheimnis des Friedens und der künftigen Wohlfahrt Italiens finden zu
sollen. In dieser Ueberzeugung gestatten uns Eure Majestät, zu Füßen des
Thrones den Ausdruck unserer Dankbarkeit und unserer Hoffnungen nieder-
zulegen.
Der König läßt hierauf dem Pfarrer von San Marco, als
ersten Unterzeichner des Briefes, für diese Kundgebung seinen herz-
lichsten Dank aussprechen.
19. Juni. (Klerikaler Wahlsieg in Rom.) Bei der Er-
gänzungswahl von 18 Gemeinde- und 6 Provinzialräten in Rom
erringen bei einer Wahlbeteiligung von fast 50 % die klerikalen
Kandidaten den Sieg, indem sie zwischen 7300 und 6700 Stimmen,
die Liberalen nur 6500—3200 auf sich vereinigen.
Der Sieg der Klerikalen soll dadurch wesentlich gefördert worden
sein, daß alle Gemeindebeamten auf Weisung des Bürgermeisters Fürsten
Torlonia, den die Liberalen durch Ausschluß des von ihm auf die Wahl-
liste gesetzten Fürsten Mario Chigi beleidigt hatten, für die Klerikalen
gestimmt haben sollen.
Der „Moniteur de Rome ' jubelt über den Sieg und sagt: man
werde Rom sicher nicht mehr „unantastbar“ nennen.
21. bzw. 24. Juni. (Zölle.) Kammer: genehmigt mit 205
gegen 48 Stimmen den Gesetzentwurf über die Erhöhung der Zölle
auf Getreide, Reis und Petroleum, und am 24. mit 199 gegen 36
Stimmen den Generalgzolltarif.
Durch die Zollerhöhungen sollen die Regierungseinnahmen eine Auf-
besserung von 40 Millionen erhalten, um das durch die außerordentlichen
Erfordernisse entstandene Defizit zu ermäßigen.
25. Juni. (Pariser Weltausstellung.) In der Kammer
interpelliert Cavalotti (äußerste Linke) in überaus heftiger Weise
die Regierung wegen Ablehnung der Beschickung der 188g9er Welt-
ausstellung in Paris.
Er behauptet, diese sei eine Folge der Beeinflussung von Deutschland
und Oesterreich; Italien schulde Frankreich Dank und O selbst aus der
französischen Revolution hervorgegangen.