Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dritter Jahrgang. 1887. (28)

458 Nie ürtei. (August 22.—Oktober 2.) 
daß die Pforte nach der feierlichen Erklärung des Prinzen Ferdinand 
von Koburg, vor einem Einvernehmen der Pforte und der Mächte nicht ab- 
zureisen, sich aller offiziellen Beziehungen zu dem Prinzen enthalte und die 
Anschauungen der Mächte über das Verhalten des Prinzen, die ihren Agenten 
in Sofia gegebenen Instrukkionen, sowie ihre Erwägungen über die Mittel 
zur Lösung der Frage kennen zu lernen wünsche. 
Die Antwort Rußlands darauf ist folgenden Inhalts: 
Rußland erklärt, General Ernroth werde nach Bulgarien gehen in 
der Eigenschaft eines einzigen Regenten und als General-Gouverneur von 
Ost-Rumelien, wie dies durch die Konferenz festgestellt worden ist. Er wird 
dieselben Befugnisse wie der Fürst haben. Sobald er in Bulgarien einge- 
troffen ist, wird er ein neues Ministerium ernennen und zur Wahl einer 
neuen Sobranje schreiten, welche einen Fürsten erwählen wird. Die rume- 
liotischen Deputierten werden bei der Wahl des Fürsten durch die Sobranje 
nicht zugelassen werden. 
Deutschland und Frankreich stimmen dem ruffischen Vorschlage 
zu; England, Italien und Osterreich-Ungarn lehnen ihn hingegen ab. 
22. August. (Bulgarien.) Die Pforte läßt durch den in 
S]ofia zurückgebliebenen Sekretär Onik Effendi einem Herren aus 
der Suite des Fürsten Ferdinand eine Notifikation des Sultans 
überreichen, welche denselben unter Berufung auf den Berliner Ver- 
trag auffordert, das Land zu verlassen. 
Da das Schriftstück keine Unterschrift trägt, so beschließt der bulga- 
rische Ministerrat, dasselbe unberückfichtigt zu Laffen. 
Ende August. (Bulgarien.) Die Pforte richtet an den 
Fürsten Bismarck das Ansuchen, England. ÖOsterreich-Ungarn und 
Italien zur Zustimmung zu den russfischen Vorschlägen betreffs der 
Mission Ernroth zu bewegen. 
Fürst Bismarck lehnt den türkischen Vorschlag ab. 
21. September. (Bulgarien.) Die Pforte richtet eine neue 
Note an Rußland. 
Dieselbe erwähnt der Ablehnung der von der Pforte nachgesuchten 
Berliner Bermittlung und der Aussichtslosigkeit des russischen Vorschlages bei 
der ablehnenden Haltung Englands, Italiens und Oesterreich-Ungarns. Sie 
schlägt daher neue Wege vor und zwar erstens die Entsendung eines russischen 
Kommissärs, den ein türkischer Ober-Kommissär zu begleiten hätte; zweitens, 
falls es wünschenswert sein sollte, die Verstärkung dicses Duumvirates durch 
einen Kommissär, den eine dritte Macht stellen könnte; drittens endlich und 
für alle Eventualitäten die Entsendung einer aus Delegierten der Mächte 
zusammengesetzten internationalen Kommission. 
2. Oktober. (Bulgarien.) Antwort Rußlands auf die 
letzten Vorschläge der Pforte. Dieselbe enthält folgende 5 Punkte: 
1) Rußland lehnt implicite die doppelte Statthalterschaft mit der 
Einwendung ab, daß dieselbe zahlreiche Schwierigkeiten schaffen würde; es 
nimmt aber den Vorschlag an und wünscht sogar lebhaft, daß ein türkischer 
Kommissär den General Ernroth begleite.
	        
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