Serbien. (November 17. — Dezember 4.) 493
der Gegenstand langwieriger und schwieriger Verhandlungen zwischen
dem Ministerpräsidenten und der radikalen Partei gewesen, zu Kron-
deputierten 29 liberale und 23 radikale, sodaß beide Parteien in
der Kammer die Kopfzahl von 94 erhalten.
17. November. (Parteifusion.) Die liberale und radikale
Partei schließen ein Abkommen, wonach sie alle Angelegenheiten
durch ein gemeinsames Vertrauensmännerkollegium behandeln wollen.
Diese Abmachungen werden im Beisein aller Minister geschlossen.
17. November. (Bischofsenthebungen.) Der seit Jahren
in Rußland weilende und gegen die Dynastie agitierende ehemalige
Metropolit Michael wird durch königlichen Ukas mit 10,000 Franken
pensioniert, ebenso die Bischöfe der z. T. aufgehobenen Bistümer von
Nisch, Schabatz und Negotin mit je 5000 Franken. Damit ist der
langwierige, von der radikalen und russenfreundlichen Partei ge-
schürte Kirchenstreit zum Abschlusse gebracht.
Ende November. (Steuerreform.) Der Finanzminister
Wuitsch legt einen umfassenden Steuerreformplan vor.
Dieselbe soll die Bauern entlasten. Grundbesitz unter 1 Hektar ist
steuerfrei. Dagegen sollen die städtischen Klassen stärker herangezogen werden.
Es wird die Ikklassige Personalsteuer zwischen 4 und 200 Franken jährlich
auf alle Männer vom 18. Lebensjahre an ausgedehnt; ferner wird eine
Hagestolzensteuer eingerichtet, wonach alle Unverheirateten und sinberihsen
Witwer in Städten und Märkten zwischen dem 30. und 60. Lebensjahre
eine dreifache Personalsteuer zu zahlen haben gegen die Verheirateten.
4. Dezember. Feierliche Eröffnung der Skuptschina durch
den König.
In der Thronrede wird hervorgehoben, die Beziehungen zu allen
Staaten seien die besten. Die neue Regierung, von der Ueberzeugung durch-
drungen, daß die Freundschaft der Mächte für Serbien von größtem Wert
sei, habe es sich zur Aufgabe gemacht, die Beziehungen mit allen Mächten
im Geiste gegenseitiger Freundschaft und Achtung zu pflegen und zu kräftigen.
Die regelrechte Haltung Serbiens werde von allen Seiten vollkommen an-
erkannt. Was die Revision der Verfassung angehe, so habe der König Auf-
träge für die betreffenden Vorarbeiten angeordnet. In der Finanzfrage habe
die Regierung die doppelte Aufgabe: die früher eingegangenen Verpflichtungen
einzuhalten und die ordentlichen Ausgaben zu decken. Dies solle durch Kon-
solidierung der schwebenden Staatsschuld, durch Sparsamkeit ohne Schädi-
gung der Militärkraft und durch eine Reform der Steuern auf gerechter
Basis erzielt werden. Die Thronrede konstatiert, daß Serbien sämtlichen
Verpflichtungen des Berliner Vertrages bezüglich des Eisenbahnbaues nach-
gekommen sei. Die Eröffnung des großen Verkehrs stehe bevor; mit der
Türkei und Bulgarien seien bereits Uebereinkünfte betreffs des Anschlusses
abgeschlossen. Mit der Türkei und Rumänien seien Verhandlungen wegen
eines Handelsvertrages im Gange; mit Bulgarien sollten solche demnächst
ebenfalls eingeleitet werden. Die Thronrede stellt ferner mehrere Gesetzent-
würfe im liberalen Sinne in Aussicht.