Uebersicht
der politischen Eutwickelung des Jahres 1887.
„Bulgarien gleicht einer kleinen Wunde an einer Stelle, in Ale-
welche alle großen Nervenstränge ihre Ausläufer einsenden“ — so wure-
leiteten die „Preußischen Jahrbücher“ ihre politische Betrachtung päische
am Beginne des Jahres 1887 ein und der Fortgang der Ereignisse Politit.
hat während des ganzen Jahres die Richtigkeit jenes Satzes so sehr
bestätigt, daß wir ihn unsererseits bei der rückblickenden Betrachtung
ebenfalls an die Spitze stellen dürfen. Die bulgarische Verwickelung
drohte während des ganzen Jahres zu einer allgemeinen europäischen
Krisis zu führen und am Ende des Jahres schien die Gefahr noch
näher als am Anfang.
Nach der Vertreibung des Fürsten Alexander (August 1886)
machten die Bulgaren den ehrlichen Versuch, sich mit Rußland zu
versöhnen. Der Versuch scheiterte, nicht an dieser oder jener Einzel-
frage, sondern daran, daß Rußland die vollständige und unbedingte
Herrschaft in Bulgarien durch seine Creaturen verlangte. Diese
Forderung waren die Bulgaren, welche die Brutalität und Kor-
ruption des russischen Regimes kennen gelernt hatten, entschlossen
nicht zu bewilligen, und da Rußland von seiner Forderung nicht
lassen wollte, so war auch kein Ausgleich möglich.
Nichts schien näher zu liegen, als daß Rußland von seiner
Macht Gebrauch machte und den Bulgaren mit Gewalt seinen Willen
auferlegte. Dadurch daß Rußland zu dem Entschluß kam, das nicht
zu thun, wurde die bulgarische Frage zur europäischen. Die Er-
fahrung von 1878 hatte Rußland gelehrt, daß eine Stellung in