NMebersicht der politischen Gutwichelmus des Jahres 1887. 515
forderung etwa 300 Millionen Mark. Der Eindruck dieser exorbi-
tanten Forderung wurde noch dadurch verstärkt, daß die Verwen-
dungszwecke nur ganz im allgemeinen angegeben und nur einzelnen
von der Budget-Kommission bezeichneten Vertrauensmännern mit-
geteilt wurden.
Nächst den eigenen Waffen sind das stärkste Kriegsmittel die
Bundesgenossen. Schon Ende Februar verlautete (vgl. 27. Februar
und 22. März S. 98), daß zwischen Deutschland, Osterreich und
Italien ein neues Bündnis abgeschlossen sei.
Wahrscheinlich seit Ende 1882 oder Anfang Januar 1883
(vgl. neben dem vorigen Jahrgang den Aufsatz von O. Speyer in
den Preuß. Jahrb. Bd. 60 S. 57) befand sich Italien in einer
mehr oder minder bestimmt formulierten Defensiv-Allianz mit den
beiden Kaisermächten. Sei es nun, daß dieß Bündnis nur auf
fünf Jahre abgeschlossen und deshalb dem Ablauf nahe war, sei
es, daß die veränderte Situation dazu trieb, jedenfalls wurde die
Allianz jetzt nicht nur erneuert, sondern auch aller Wahrscheinlich-
keit nach bestimmter und positiver formuliert.
Parallel mit diesem imponierenden Vorgehen auf dem Gebiet
der Kraftentwickelung ging ein drittes, ein publizistischer Feldzug,
wie ihn der Reichskanzler schon mehrfach geführt hat: nämlich,
wenn die Gefahr auf eine gewisse Höhe gestiegen ist, sie nicht mehr
durch Verdecken, sondern durch Enthüllen zu bekämpfen. In dem
Kriegsminister General Boulanger (seit 7. Januar 1886) hatte die
französische Kriegspartei endlich den Mann gefunden, von dem sie
die Erfüllung ihrer Wünsche erwartete und der auch unzweifelhaft
die Absicht und den Willen hatte, sich des großen Werkes des
Revanchekrieges mit Hilfe Rußlands zu unterfangen. Obgleich Bou-
langer aus diesen Ideen kaum ein Hehl machte, im Gegenteil fort-
während nach Gelegenheiten suchte, deutliche Anspielungen zu machen
und das Revanchefeuer dadurch anzufachen, so hatte man in Deutsch-
land während des ganzen Jahres 1886 sein Gebahren doch fast igno-
riert. Jetzt wurde gegen ihn vorgegangen. Wenn es noch eine Mög-
lichkeit gab, die Elemente des Friedens im französischen Staatsleben
zu einer Zusammenfassung ihrer Kräfte und zur Aktion zu treiben, so
war es die, sie in der allerstärksten Weise darauf hinzuweisen, daß
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