Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 25.) 93
Steuerreform in Preußen für eine unerläßliche Vorbedingung der Ein-
führung dieses Gesetzes halte; da der Einführungstermin dem Bundesrat
überlassen sei, so hoffe er mit Bestimmtheit, daß diese Rücksicht eingehalten
werden werde und stimme deshalb mit ja.
Minist. v. Bötticher spricht darauf die „sichere Erwartung" aus,
daß die Einkommensteuerreform die erste Vorlage sein werde, welche dem
Landtage zugehe.
v. Flügge (kons.) erklärt, daß er das Gesetz für unbrauchbar halte,
daß er aber Aussicht auf ein besseres nicht sehe und aus Rücksicht auf den
persönlichen Wunsch des Kaisers dafür stimme.
Die Annahme des Gesetzes erfolgte mit 185 gegen 165
Stimmen.
Es stimmten dafür: die Konservativen mit Ausnahme der Herren
v. Gramatzki, Graf v. Mirbach, v. Oertzen-Brunn, v. Oertzen-Parchim, v.
Puttkamer-Plauth, Graf v. Schlieffen-Schlieffenberg, Seyfarth. Es fehlten
u. a. v. Rauchhaupt, v. Staudy. Es enthielt sich: Graf Schlieffen-Schwandt.
Die Freikonservativen mit Ausnahme der Herren Holtz und Lohren.
Es enthielten sich Prinz v. Carolath, Schultz-Lupitz.
Die Nationalliberalen mit Ausnahme der Herren: Brand (2. Hessen),
Büsing, Dommes, Jahns, Keller (Württemberg), Keller (Immenstadt), v.
Lengerke, Römer, Stöcker (Rothenburg).
Vom Zentrum Graf Adelmann, Buxbaum, Freiherr v. Franckenstein,
Frhr. v. Gagern, Frhr. v. Hornstein (wild-kath.), Frhr. v. Huene, Frhr. v.
Landsberg-Steinfurt, Freiherr v. Pfetten, Graf v. Preysing-Landshut, Graf
v. Preyfing-Straubing, Dr. Reichensperger, Graf v. Walderdorf, Freiherr
v. Wendt. Es enthielt sich: Dr. Porsch. Es fehlte u. a. Graf Ballestrem.
Vom Freisinn: Thomsen.
Dagegen stimmten: der Rest des Zentrums, des Freisinns, die Polen,
die Elsässer, die Sozialdemokraten und der Antisemit Böckel.
Unmittelbar darauf wurde der Reichstag durch den Minister
von Bötticher geschlossen, indem er noch dem Reichstag den „war-
men Dank“ des Kaisers für die „Herstellung des vaterländischen
Werkes“ aussprach.
25. Mai. (Bankett von Abgeordneten zu Ehren
Crispis) im Hotel Kaiserhof. Präs. v. Levetzow eröffnet hier die
Reihe der Tischreden mit einem Toast auf die beiden Souveräne.
Herr v. Benda läßt alsdann in kurzer italienischer Ansprache
den Festgast, „eine der Säulen des italienisch-deutschen Friedens-
bündnisses“, Ministerpräsidenten Crispi, leben.
Crispi dankt mit den Worten:
„Ich danke Ihnen für die freundliche Kundgebung, die Sie mir so-
eben bereitet haben, die ich aber nicht als mir, sondern als Italien erwiesen
betrachte. Der begeisterte, herzliche Empfang, welchen die Gemeinde Berlin
und die Bevölkerung Deutschlands meinem Könige bereitet hat, war ein so
spontaner, ein so überwältigender, daß er nicht nur die Aufmerksamkeit der
hier Anwesenden, sondern auch einen lauten Wiederhall bei allen Völkern
gefunden hat. Die beiden Dynastien und die beiden Völker sind vereinigt,
mehr noch als durch den politischen Bund, durch die Interessen, durch die
herzliche Freundschaft, durch die gemeinsamen Ziele, durch all Das, was