6 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 14.)
Die Finanzlage des Staates ist nach dem Abschlusse des letzten und
den bisherigen Ergebnissen des laufenden Rechnungsjahres eine günstige. Sie
gestattet, das Ziel der Erleichterung der Steuern, Meinem dem Landtage
bereits kundgegebenen Willen gemäß, weiter zu verfolgen und dringliche Be-
dürfnisse, welche bisher wegen der Unzulänglichkeit der vorhandenen Mittel
zurückgestellt werden mußten, zu befriedigen.
Der Entwurf des Staatshaushalts-Etats für das nächste Jahr wird
Ihnen alsbald vorgelegt werden. Sie werden daraus ersehen, daß die mit
Vorsicht veranschlagten Staatseinnahmen zureichend sind, um den neuen oder
erhöhten Ausgaben zustimmen zu können, welche außer für die unumgäng-
lichen Erfordernisse des Staatsdienstes, im Interesse von Kunst und Wissen-
schaft, zur Verbesserung und Erweiterung der Verkehrsanstalten, zur Förde-
rung von Ackerbau, Viehzucht und Landesmeliorationen in Vorschlag ge-
bracht sind.
In besonders begründeter Fürsorge des Staates für die Geistlichen
aller Bekenntnisse ist schon in den Etat des laufenden Jahres eine dauernde
Mehrausgabe eingestellt worden, um die Pfarrbesoldungen bis zu einem für
die heutigen Verhältnisse auskömmlichen Maße zu erhöhen. Die Besorgnis
vor der Unzulänglichkeit dieser Bewilligung, welche in den Beratungen des
Landtages hervortrat und zu Anträgen auf demnächstige Erhöhung derselben
führte, ist durch die inzwischen möglich gewesenen näheren Ermittelungen be-
stätigt worden. Meine Regierung hat es sich daher gern angelegen sein
lassen, in dem neuen Etat die erforderlichen Mittel in erheblich größerem
Umfange bereit zu stellen, um hier das allseitig gewollte Ziel zu erreichen.
Mit Genugthuung werden Sie ferner den Vorschlag einer über das
Maß des Gesetzes vom 14. Juni v. J. hinausgehenden Beitragsleistung des
Staates zu den Besoldungen der Volksschullehrer begrüßen, welche eine wei-
tere Erleichterung des Druckes der Schullasten erreichen lassen wird. Zu-
gleich sind die Mittel bereit gestellt, um die Volksschullehrer von den bis-
herigen gesetzlichen Beiträgen zur Versorgung ihrer Hinterbliebenen zu be-
freien. Entsprechende Gesetzentwürfe werden Ihnen mit dem Etat zugehen.
In letzterem sind zur Verbesserung der äußeren Lage der Lehrer auch reich-
licher bemessene Alterszulagen vorgesehen.
Zur Abstellung der Klagen bezüglich der Stempelsteuer für Pacht-
und Mietverträge über Immobilien und zur zweckmäßigeren Regelung eini-
ger anderer Punkte der Gesetzgebung über das Stempelwesen wird Ihnen
eine besondere Vorlage gemacht werden.
Anknüpfend an die schon in der Landtagssession von 1883/84 ver-
suchte Reform wird Ihnen ferner der Entwurf eines Einkommenstenergesetzes
vorgelegt werden, welches dazu bestimmt ist, die bisherige Klassen= und klassi-
fizierte Einkommenstener in eine einheitliche Einkommensteuer umzugestalten,
die den minder Begüterten bereits gewährten Erleichterungen zu erweitern,
die Mittel zu einer gerechten Veranlagung des steuerpflichtigen Einkommens
durch Einführung einer Deklarationspflicht zu verstärken und fernere Refor-
men auf dem Gebiete der direkten Steuern vorzubereiten.
Die Neugestaltung des vaterländischen Eisenbahnwesens, wie sie sich
im Verlauf der letzten zehn Jahre- vollzogen hat, bewährt sich zu Meiner
Genugthuung in vollem Maß. Das erfolgreich Geschaffene in stetem Fort-
schritte zeit= und zweckgemäß auszubilden und zu verbessern, die wirtschaft-
liche Entwickelung des Landes mit gerechter und fester Hand unter pflicht-
mäßiger Wahrung der finanziellen Interessen des Staates umsichtig und
sorgsam zu pflegen, wird auch fernerhin Meine Regierung sich angelegen sein
lassen. Der in Preußen wie in fast allen Ländern des europäischen Kon-
tinents neuerdings rasch zu ungeahnter Höhe gestiegene Verkehr stellt der