Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfter Jahrgang. 1889. (30)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 25.—26.) 13 
klärung eine Aeußerung der Parteileitung anerkennt und sich selbst bemüht, 
so zu schreiben, daß die Sache wenigstens zunächst zur Ruhe kommen kann. 
Uebrigens enthält ja auch die Erklärung nur ein Bedauern, das ebensowohl 
blos auf Opportunität, Ton und Zeitwahl der Publikation gehen kann, wie 
zugleich auf die sachliche Haltung des Artikels." 
Infolge des in Rede stehenden Artikels wird die betr. Num- 
mer der „Kreuzzeitung“ am 29. Januar konfisziert, indes später 
wieder freigegeben. 
25. Januar. Der „Reichsanz." veröffentlicht die Ernennung 
des Vizeadmirals Frhrn. v. d. Goltz zum kommandierenden Ad- 
miral und stellvertretenden Chef der Admiralität. Kontreadmiral 
Heusner bleibt stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat. 
       26. Januar. (Reichstag: Ostafrikanische Vorlage.) 
Die Regierung beantragt ein „Gesetz betreffend Bekämpfung des 
Sklavenhandels und Schutz der deutschen Interessen in Ostafrika“. 
Von dem Entwurf lautet 
§ 1. Für Maßregeln zur Unterdrückung und zum Schutz der deut- 
schen Interessen in Ostafrika wird eine Summe bis zur Höhe von zwei 
Millionen Mark zur Verfügung gestellt. 
§ 2. Die Ausführung der erforderlichen Maßregeln wird einem 
Reichskommissar übertragen, welcher gleichzeitig nach den ihm erteilten be- 
sonderen Instruktionen die dem Reichskanzler statutenmäßig zustehende Auf- 
sicht über die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft und deren Angestellte in Ost- 
afrika ausübt. — 
Die Verhandlung über dieselbe wird durch einen Vortrag des Staats- 
sekretärs im Auswärtigen Amt, Staatsministers Grafen v. Bismarck, 
eingeleitet, welcher in seiner Befürwortung des Entwurfs besonders der 
bekannten Resolution Windthorst (vgl. Gesch -Kal. 1888 S. 195) gedenkt 
und im weiteren auf die Ausführungen des als Bundeskommissar anwesen- 
den Hauptmanns Wißmann verweist, der sodann an der Hand seiner per- 
sönlichen Erfahrungen ausführlich über die Zustände und Aussichten in den 
afrikanischen Kolonialgebieten berichtet und unter mancherlei von der Oppo- 
sition dargebrachten Bedenklichkeiten namentlich die übertriebenen Besorgnisse 
wegen der schlimmen Gesundheitsverhältnisse in jenen Ländern bekämpft. 
(Während dieser Rede erscheint der Reichskanzler Fürst Bismarck.) Abg. 
Bamberger erklärt, die deutsche Kolonialpolitik habe die erst angekündigten 
und betretenen Wege der Vorsicht verlassen und daher, abgesehen vielleicht 
von Neu-Guinea, überall ein gründliches Fiasko gemacht. Der Abg. Windt- 
horst drückt sich, wie er selbst sagt, nur mit äußerster Vorsicht über die in 
Rede stehende Frage aus, aber er könne versichern, daß die Zentrumspartei 
in dieser Angelegenheit ihre Politik immer so einrichten werde, daß das 
Ausland daraus zu Ungunsten des Reiches keinen Nutzen ziehen könne. Im 
übrigen wolle er, im Hinblick darauf, daß Deutschland inmitten zweier so 
schwer gerüsteter Reiche, wie Frankreich und Rußland, stehe, nicht mit dem 
Bekenntnis zurückhalten, daß, wenn er erst heute vor die Frage der In- 
augurierung deutscher Kolonialpolitik gestellt würde, er dieselbe mit Nein 
beantworten würde. Im übrigen wünsche er Vorberatung in einer Kom- 
mission von einundzwanzig Mitgliedern. Nach ihm nimmt Fürst Bismarck 
das Wort: 
 
	        
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