Die Rämische kurie. (Juni 30.) 253
haben Unsere sämtlichen Vorgänger mit allem Eifer und Bemühen die Un-
versehrtheit ihrer Fürstlichen Stellung zu schützen gesucht, und auch Wir
trachten, sie wieder herzustellen, durchdrungen von dem Werte aller der Dinge,
deren Schutzwehr sie bildete. Nach diesem Urteil haben die Meinungen sich
zu richten; dieses ist sorgfältig einzuprägen, namentlich weil bei vielen sonst
Lobenswerten, die Hinneigung zu freieren Ansichten mehr als billig ge-
stiegen ist.
Hierzu bemerkt die „Post“:
Wie sehr die Auffassung Seiner Heiligkeit Leo XIII. über seine not-
wendige freie und Fürstliche Stellung von derjenigen abweicht, welche die
Stimmungsmacher auf den Katholikentagen mit tönenden Phrasen verkünden,
springt in die Augen. Wenn der heilige Stuhl sich mit der Forderung
begnügt, daß es sich „bei der weltlichen Staatshoheit um nichts Irdisches
handelt", wird der wünschenswerte Ausgleich mit Italien sich finden lassen.
Der kräftige Dämpfer, der den säbelrasselnden Resolutionen der Katholiken=
tage und der klerikalen Presse von der autoritativsten Stelle wird, ist über-
aus heilsam. Er entspringt dem warmen patriotischen geere des heiligen
Vaters, der mit seinem Vaterlande nie gebrochen hat, sondern heißer und
inniger eine Versöhnung vor seinem Ende wünscht, als den Heißspornen
diesseits und jenseits der Alpen in den Kram paßt.
30. Juni. (Geheimes Konsistorium.) Der Papst hält
ein zweistündiges geheimes Konsistorium ab, an welchem nur Kar-
dinäle ohne irgendwelche Begleitung teilnehmen durften. Aus der
Allokution, die der Papst dabei gehalten hat, verbreitet das Wolffsche
Bureau folgenden Auszug:
In seiner Allokution erinnert der Papst an seinen bereits Ostern
erhobenen Protest gegen das Giordano Bruno-Denkmal. Er habe die Kar-
dinäle zu einem außerordentlichen Konsistorium berufen, um seine Indig-
nation auszudrücken. Nach der Einnahme Roms durch die Italiener habe
die Religion und der päßpstliche Stuhl eine lange Reihe von Verunglim-
pfungen erlitten. Die Sekten setzten ihre gewaltsamen Angriffe fort, um die
Kirche zu stürzen. Als Gipfelpunkt ihrer Angriffe hätten sie einen hohen
Festtag gewählt, um einen Denkstein als Zeichen des Krieges gegen die
katholischen Institutionen aufzurichten. Sie wollten einen Rebellen gegen
die Kirche, einen Pantheisten und Materialisten ehren und beriefen deshalb
die Städte Italiens, um neuen Haß gegen das Pontifikat zu entfachen. Rom
habe die Menge gesehen, welche Fahnen und Abzeichen trug, die revolutio-
näre Tendenzen, nicht bloß gegen die Religion, sondern auch gegen die all-
gemeinen Grundsätze der Ordnung bekundeten. Ihre Reden hätten ohne
Scheu heilige Dinge angegriffen und eine falsche, der bürgerlichen Ordnung
und den christlichen Grundsätzen zuwiderlaufende Freiheit verherrlicht. Die
Regierung hätte diese wi offen vorbereitet und gefördert. Es schmerze
ihn, sagen zu müssen, daß in der Stadt, in welche Gott den Wohnsitz seines
Statthalters verlegt habe, Ketzerei und Irrtümer durch ein Denkmal ver-
herrlicht worden seien. Der Papst verkünde diese unwürdige Thatsache der
ganzen katholischen Welt. Sie zeige, daß diejenigen, welche dem Papste die
weltliche Herrschaft entrissen hätten, auch jetzt den katholischen Glauben aus-
rotten wollten. Die Ehren, mit denen sie den Papst zu umgeben behaup-
teten, verwandelten sie in Beleidigungen, sie wollten Rom zur Hauptstadt
der Gottlosigkeit machen. Besonders die italienische Regierung fördere den
Krieg gegen das Pontifikat durch die Erregung feindlicher Leidenschaften.