Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 26.) 17
menden Mächten und namentlich zwischen der im älteren Besitz befindlichen
Macht England und uns das volle Einverständnis besteht.
Das ist mehr eine politische als eine militärische Frage, daß wir in
Gemeinschaft mit England dort blockieren. Wir fassen dabei einige der
Sklaven ab — ich glaube, 287 ist die Ziffer derer, die wir bisher gegriffen
haben, ein sehr geringer Teil; — von englischer Seite haben wir keine
Nachricht, daß dort überhaupt Sklaven aufgegriffen worden wären. Aber
die Hauptsache den Afrikanern gegenüber ist die Autorität der Europäer
und die Autorität der verbündeten Europäer. So lange wir dort mit Eng-
land in Rivalität leben, wird keine von beiden Mächten denjenigen Nimbus
mit der Zeit haben oder behalten, dessen es bedarf, um auf diese schwarz
gefärbten Bewohner einen Eindruck zu machen; solange und sobald wir einig
sind, ist es ganz etwas anderes, und wenn die Blockade aufhört, ohne den
Eindruck eines Bruchs der Einigkeit zwischen England und Deutschland zu
machen, so will ich nichts dawider haben.
Dieser Eindruck ist mir nach meiner politischen Auffassung die Haupt-
sache, — ebenso wie ich in anderen Kolonien, in Samoa z. B., unbedingt
festhalte an der Uebereinstimmung mit der englischen Regierung und an dem
Entschluß, sobald wir mit derselben in Uebereinstimmung sind, gemeinsam
vorzugehen, und sobald wir das nicht sind, uns zu enthalten oder mit Zu-
rückhaltung zu verfahren. Ich betrachte England als den alten und tradi-
tionellen Bundesgenossen, mit dem wir keine streitigen Interessen haben; —
wenn ich sage „Bundesgenossen“", so ist das in diplomatischem Sinne zu
fassen; wir haben keine Verträge mit England; — aber ich wünsche die
Fühlung, die wir seit nun doch mindestens 150 Jahren mit England ge-
habt haben, festzuhalten, auch in den kolonialen Fragen. (Bravo! links.)
Und wenn mir nachgewiesen würde, daß wir die verlieren, so würde ich
vorsichtig werden und den Verlust zu verhüten suchen.
Ich möchte in Bezug auf meine Stellung zu der Gesamtfrage, die
wir verhandeln, noch die Bemerkung machen, daß ich nicht Enthusiast für
koloniale Unternehmungen von Hause aus gewesen bin, und daß es eine
Ungerechtigkeit gewesen ist, wenn der Herr Abgeordnete Bamberger mich
identifiziert hat und sogar die Regierung identifiziert hat mit dem Verhal-
ten der Gesellschaft. Wenn das der Fall wäre, wenn wir identisch wären,
das Reich und die Gesellschaft dieselbe Person wäre, ja, dann wäre ja gar
kein Zweifel, daß das Reich verpflichtet wäre, alle Avanien, die die Gesell-
schaft erlitten hat, auf sich zu nehmen und durchzufechten. Das ist in dem
Maße nicht der Fall. Ich enthalte mich aber, in eine Kritik der Gesellschaft
einzutreten und darin dem Herrn Abgeordneten zu folgen. Ich will nur
meine Stellung zu der Sache richtig stellen, indem ich daran erinnere, wie
ich überhaupt bei der ersten Beratung am 26. Juni 1884 zu dieser Sache
hier mich geäußert habe. Ich habe damals gesagt: Wenn der Herr Ab-
geordnete Rickert den Wunsch ausgesprochen bal. daß ich in authentischer
Form wiederholen möchte, was ich über Kolonialprojekte und über meine
Auslegung der Vorlage in der Kommission gesagt habe, so glaube ich, in
letzter Beziehung mich hier schon dementsprechend geäußert zu haben. Was
die Kolonialfrage im engeren Sinne anlangt, so wiederhole ich die Genesis
derselben, wie ich sie damals angegeben habe. Wir sind zuerst durch die
Unternehmung hanseatischer Kaufleute, verbunden mit Terrainankäufen und
gefolgt von Anträgen auf Reichsschutz, dazu veranlaßt worden, die Frage,
ob wir diesen Reichsschutz in dem gewünschten Maße versprechen könnten,
einer näheren Prüfung zu unterziehen. Ich wiederhole, daß ich gegen Ko-
lonien — ich will sagen nach dem System, wie die meisten im vorigen Jahr-
hundert waren, was man jetzt das französische System nennen könnte —
Europ. Geschichtskalender. Bd. XXI. 2