18 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 26.)
gegen Kolonien, die als Unterlage ein Stück Land schaffen und dann Aus-
wanderer herbeizuziehen suchen, Beamte anstellen und Garnisonen errichten,
— daß ich meine frühere Abneigung gegen diese Art Kolonisation, die für
andere Länder nützlich sein mag, für uns aber nicht ausführbar ist, heute
noch nicht aufgegeben habe. Ich glaube, daß man Kolonialprojekte nicht
künstlich schaffen kann, und alle Beispiele, die der Herr Abgeordnete Bam-
berger — er war also auch damals schon dabei — in der Kommission als
abschreckend anführte, waren darauf zurückzuführen, daß dieser falsche Weg
eingeschlagen war, daß man gewissermaßen einen Hafen hatte bauen wollen,
wo noch kein Verkehr war, eine Stadt hatte bauen wollen, wo noch die Be-
wohner fehlten, wo dieselben erst künstlich herbeigezogen werden sollten.
Nun, in den Fehler ist die Gesellschaft verfallen, indem sie Beamte
hingeschickt hat in Distrikte, von unsicheren und unbekannten Stämmen be-
wohnt, als ob sie einen Landrat nach Prenzlau schickte, wo er sicher ist,
Folgsamkeit und Gendarmerie zu finden. Das will ich ja gar nicht bestrei-
ten; aber können wir uns von den Fehlern, die unsere Landsleute im Aus-
lande begehen, aus nationalen Gesichtspunkten so absolut lossagen? Können
wir jeden, der einen Irrtum, eine Thorheit — möchte ich sagen — draußen
begeht und infolge dessen in Schwierigkeiten gerät, — können wir den sitzen
lassen und im Stich lassen: Das ist eine Frage, in der ich so weit gehe,
wie der Reichstag geht, nicht weiter. (Sehr gut! rechts.) Meine eigenen
Gefühle, die ich dafür habe, gehen ja sehr viel weiter; aber ich weiß mich
unterzuordnen, ich gehöre nicht zu den Leuten, die, nachdem die Majorität
ihres Landes, die Majorität ihrer parlamentarischen Körperschaft beschlossen
hat, sich an der Sache zu beteiligen, ihrerseits in einer kleinlichen und kniff-
lichen Opposition fortfahreu, um die Gesamtheit an der Erfüllung der ein-
mal beschlossenen Politik zu hindern und sie zum Stolpern zu bringen (leb-
hafter Beifall rechts), und darauf nicht verzichten können, daß sie anderer
Meinung gewesen sind, die ihr eigenes Ich dem ganzen Lande und seiner
Majorität gegenüberstellen. (Beifall rechts.)
Das kann ich wohl unter Umständen als Minister thun, wenn ich
die Befürchtung habe, wie es im Jahre 1862 der Fall war, daß die Ma-
jorität des Landes in einer verderblichen Richtung sich bewegt; das kann ich
thun, wenn ich mich wie damals gegenüber der Abdikationsurkunde meines
Königs und Herrn befinde, der mir sagt: wollen Sie mir beistehen? oder
soll ich abdizieren? Dann kann ich dergleichen unternehmen und Widerstand
leisten gegen eine Welt von Waffen. Aber für zwei Millionen oder für
Sansibar kann man sich meines Erachtens nicht lossagen von dem großen
Zuge der nationalen Bewegung (Bravo! rechts); da kann man nicht klein-
lich hinterher schimpfen hinter das, was die Mehrheit der Nation einmal
beschlossen hat. Ich selbst ordne mich unter. Ich bin kein Kolonialmensch
von Hause aus gewesen; ich habe gerechte Bedenken gehabt, und nur der
Druck der öffentlichen Meinung, der Druck der Mehrheit hat mich bestimmt,
zu kapitulieren und mich unterzuordnen. Ich möchte dem Herrn Abgeord-
neten Bamberger dasselbe empfehlen (Bravo! rechts); er hat noch nicht ein-
mal die Berechtigung, die ich nach sechsundzwanzigjährigem Dienste habe,
dem ganzen Lande Opposition zu machen. (Lebhaftes Bravo rechts.)
Also ich habe im Jahre 1884 gesagt, daß ich meine frühere Abnei-
gung gegen diese Art Kolonisation, die für andere Länder nützlich sein mag,
für uns aber nicht ausführbar ist, heute noch nicht aufgegeben habe. Ich
glaube, daß man Kolonialprojekte nicht künstlich schaffen kann, und alle
Beispiele, die der Herr Abgeordnete Bamberger in der Kommission als ab-
schreckend anführte, waren darauf zurückzuführen, daß dieser falsche Weg ein-
geschlagen war, daß man gewissermaßen einen Hafen hatte bauen wollen,