Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfter Jahrgang. 1889. (30)

Pulzarien. (Oktober 7.—28.) 293 
entscheidenden Schritte sich aufraffen wird. Der Sultan muß anerkennen, 
daß Bulgarien auf der ganzen Balkanhalbinsel sein einziger Freund und 
Bundesgenosse ist. Thut er dies nicht, so wird sich das Fürstentum selbst 
jene Lage schaffen, die ihm gebührt.“ 
7. Oktober. (Die Türkei und Bulgarien.) 
Das offiziöse Journal „Swoboda“ bespricht die Frage bezüglich der 
Anerkennung des Prinzen Ferdinand und bemerkt, die Pforte habe den Ent- 
schluß geplant, ein darauf bezügliches Rundschreiben an die Mächte zu 
richten. Der Beschluß sei durch Intriguen des russischen Botschafters Ne- 
lidow zunichte geworden. Die Initiative in dieser Frage stehe der Türkei 
auf Grund des Berliner Vertrages zu. Die Türkei solle in der Ausübung 
der eigenen Rechte entschieden vorgehen. Andernfalls würde Bulgarien die 
Türkei nicht mehr als suzeräne Macht betrachten können und selbst ersprieß- 
liche Mittel für seine Wohlfahrt suchen müssen. Die Türkei müsse sich un- 
verzüglich erklären, wenn sie nicht eines Tages von neuen Ereignissen über- 
rascht werden wolle. 
1. Hälfte Oktober. Prinz Ferdinand unternimmt inkog- 
nito eine längere Reise durch Westeuropa. 
Während der Reise vielfach in der Presse politische Zwecke zuge- 
schrieben wurden, veröffentlicht die „Neue Freie Presse“ den Inhalt eines Ge- 
spräches des Prinzen mit einem ihm nahestehenden Freunde, nach welchem 
der Prinz gesagt habe, er habe keine politischen Zwecke im Auslande und 
wünsche nur, daß Bulgarien glücklich, stark und reich werde. Nur in Sofia 
liege der Schwerpunkt der bulgarischen Frage und seine, ohne Vorberei- 
tungen unternommene Reise liefere den Beweis, wie günstig die bulgarischen 
Verhältnisse sich gestalteten. An dem Tage, an dem er die Verfassung in 
Tirnowo beschworen, habe er gelobt, kein anderes Interesse zu kennen, als 
das des bulgarischen Volkes. Seitdem sei nur eine fürstliche Stimme anerken- 
nend laut geworden, die eines Monarchen, der selbst die edelste Verkörperung 
des Pflichtgefühls sei. Der Prinz könne geloben, daß er sich dieses Ver- 
trauens immer würdig erweisen und nichts thun werde, um auf Abwegen 
Anerkennungen zu suchen. Ueber das Verhältnis zur Pforte äußert sich der 
Prinz mit großer Befriedigung: er sei überzeugt, der Sultan müsse die 
weitere Entwickelung Bulgariens in der bisherigen Weise wünschen. Schließ- 
lich stellt der Prinz noch in Abrede, daß er nötig gehabt hätte, sich mit 
seinen Verwandten zu versöhnen, indem er selbständig gehandelt hätte und 
niemand ihn damals zu hindern versucht habe. 
22. Oktober. Das belgische Konsortium, welches Berdan- 
Gewehre für das bulgarische Heer liefern sollte, bricht den 
Kontrakt. Der Finanzminister konfisziert infolgedessen die Kaution 
von 200,000 Fr. 
Am 14. Dezember wird dann zwischen der bulgarischen Re- 
gierung und der Waffenfabrik Steyer ein Vertrag über die Lieferung 
von 60,000 Gewehren nach dem 8-Millimeter-Mannlicher-System 
unterzeichnet. Die Lieferung soll innerhalb 15 Monaten erfolgen. 
28. Oktober. (Staatsanleihe.) Die Regierung schließt 
mit einem Finanzkonsortium, mit der Länderbank und dem Wiener 
Bankverein eine Anleihe ab.
	        
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