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3. Aegypten.
Monat April. (Konversion der privilegierten Anleihe.)
Die ägyptische Regierung, welche ihre gesetzliche Befugnis zur Kon-
version der privilegierten Anleihe außer jeden Zweifel gestellt zu
sehen wünscht, holt zu dem Ende auch das Gutachten von drei
hervorragenden Mitgliedern des gemischten Gerichtshofes, nämlich
des englischen, französischen und italienischen Mitgliedes ein.
Dieselben bestätigen einstimmig die Ansicht der ägyptischen Rechts-
gelehrten, daß die Regierung gesetzlich vollständig befugt sei, die Schuld zu
konvertieren oder al pari zurückzuzahlen.
1. Hälfte Oktober. (Vermehrung englischer Richter.)
Die „Kölnische Zeitung“ meldet, daß England in jüngster Zeit be-
strebt sei, mehr englische Richter bei den einheimischen Gerichten
anzustellen.
Bisher sei das Prinzip befolgt worden, nur solche europäische Richter
anzustellen, welche den Mächten zweiten Ranges angehören. Jetzt soll die
englische Regierung dem Ministerium einen Entwurf unterbreitet haben,
welcher dahin geht, zwei weitere englische Richter an dem einheimischen
Appellgerichtshofe zu Kairo zu ernennen. Die „Kölnische Zeitung“ bemerkt
hierzu: Sollte dieser Entwurf zur Thatsache werden, so dürfte damit auch
für die übrigen Großmächte der Augenblick gekommen sein, auch ihrerseits
im Interesse ihrer ägyptischen Kolonien die Anstellung von Richtern ihrer
Nationalität bei den einheimischen Gerichten zu beanspruchen, um sich ihre
Stimme und ihren Einfluß bei denselben in gleicher Weise zu sichern, zumal
seinerzeit die gemischten Gerichte mit ihnen verschmolzen werden dürften.
28. Oktober. (Tabakbau.) Ein amtliches Dekret bestimmt,
daß für das nächste Jahr in ganz Aegypten 1500 Acker (ungefähr
600 Hektar) Landes zum Tabakanbau zugelassen werden sollen.
Die Maßregel wird mit der Notwendigkeit motiviert, die Einnahmen
aus dem Tabak zu vermehren, indem die erhöhte Einschätzung des letzten
Jahres eine Beschränkung des Tabakanbaues nicht herbeigeführt habe.
Anfang November. (Französisch-englische Rivalität.)
Der Prinz von Wales besucht von Athen aus, wo er den Hoch-
zeitsfeierlichkeiten beigewohnt, Aegypten und wird daselbst aufs
glänzendste aufgenommen.
Der französische Ministerresident in Kairo hatte indes Auftrag er-
halten, an dem Empfange des Prinzen bei dessen Ankunft auf dem Bahn-
hofe in Kairo nicht teilzunehmen. Das „Journal des Debats“ billigt diesen
Schritt der französischen Regierung und kommt dabei auf die Verpflichtung
Englands zur Räumung Aegyptens zurück, indem es sagt, die ägyptische
Frage sei nicht aus den Augen gelassen, sie werde wieder aufgenommen
werden. Die Frage werde, bis sie eine Lösung gefunden, vielleicht zu keinen
ernsten Störungen führen, aber nach wie vor dazu beitragen, einen Zustand
des Unbehagens zwischen England und anderen Mächten fortbestehen zu lassen.
Die Reise des Prinzen von Wales nach Kairo sei eine mindestens überflüssige
Rundgebung gewesen.