22 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 26.)
Was dort gehaßt wird, ist der Christ, der Beschützer dex Sklaven,
das ist der Störer in einem illiziten Handel. Ich habe in einer mir eben
zugegangenen Meldung über eine Kaptur unserer Flotte gelesen, daß eine
Dhow gefangen wurde, in der 87 Sklaven unten lagen, in einem so engen
Raume, daß sie drei Mann hoch — wie ich den Kubikinhalt berechnen
kann — notwendig liegen mußten. Ueber sie waren Matten gebreitet und
auf den Matten saßen, standen und gingen die 17 Araber, welche die Be-
mannung der Dhow bildeten. Diese Dhow wurde unseren Kreuzern ver-
raten durch zwei Neger, denen man mehr getraut hatte, und die von dem
Deck Zeichen gegeben hatten; die wurden sofort erstochen, ehe wir herankamen.
Sollen wir nun dergleichen Sachen, wenn wir uns dort überhaupt einmal
einrichten, dulden, weil es finanziell uneinträglich ist, uns ihnen zu wider-
setzen oder nicht: Das schiebe ich den christlichen und humanitären Erwä-
gungen des Herrn Abgeordneten zu. (Heiterkeit rechts.)
Der Sultansvertrag ist meines Erachtens die bedeutendste und nütz-
lichste Leistung, welche die Gesellschaft überhaupt gemacht hat; der hat den
Zugang zum Inlande erst eröffnet. Solange die Küsten abhängig waren
von einer Macht, wie der Sultan von Zanzibar, namentlich von den ener-
gischeren Vorgängern des jetzigen Sultans, solange war unsere Verbindung
mit dem Binnenlande doch immer sehr zweifelhaft und auf die Dauer nicht
sicher, und wir konnten der Gefahr ausgesetzt sein, daß, wenn wir uns mit
dem Sultan von Zanzibar erzürnten, wir uns auch mit der uns be-
freundeten Macht von England, deren Protégé der Sultan von Zanzibar
immer war, erzürnt hätten. Wir würden also von alledem, was wir
jenseits der Zanzibargrenze okkupiert haben, durch eine Grenze geschieden
sein. Dies ist also meines Erachtens eine dankenswerte Unterlage, welche
die Gesellschaft der deutschen Nation gewonnen hat, um von dort aus all-
mählich, aber sehr allmählich, ihre weitern Kulturversuche nach dem Innern
zu erstrecken.
Ob diese Kulturversuche hauptsächlich in der Pflege des Karawanen-
handels nach dem Innern bestehen sollen oder in plantagenmäßiger Kulti-
vierung des an uns gebrachten Küstenlandes, das ist eine Frage, die ich im
letzteren Sinne zu bejahen geneigt sein möchte. Der Karawanenhandel lebt
jetzt in erster Linie vom Sklavenhandel und vom Rückhandel von Pulver
und Blei, mit dem die Verteidiger der zu fangenden Sklaven erschossen wer-
den, — kurz und gut, Gewehre und Munition gehen hin, Sklaven gehen
aus als Ergebnis der gelieferten überlegenen Bewaffnung. Fällt das weg,
fällt auch noch der Branntwein weg, so wird der Karawanenhandel sehr ge-
ring; er beschränkt sich auf Elfenbein. Das Elfenbein hat schon jetzt nicht
immer volle Ladungen gegeben; die mußten durch Menschenfteisch Neger,
vervollständigt werden, um für die Beladung der Dhows zu dienen. Be-
kanntlich werden Elephanten immer weniger, Gummi kann dort mehr sein.
Aber ich glaube kaum, daß der Karawanenhandel allein eine große Zukunft
haben wird; ich glaube, daß er auf zwei aussterbenden Generationen basiert
ist, den Sklaven und den Elephanten. Die Elephanten werden weniger;
bis jetzt ist Elfenbein noch da und Gummi.
Aber ich setze meine Hoffnung für die Zukunft Deutschlands nicht
gerade auf den Karawanenhandel, sondern vielmehr auf die Möglichkeit, den
fruchtbaren Ostabhang Ostafrikas, der im allgemeinen nur soweit fruchtbar
ist, als der Küstenstrich reicht, zum Plantagenbau im tropischen Sinne zu
benutzen. Es ist das, wie Herr Hauptmann Wißmann schon vorher be-
merkte, ein Küstenstrich von über 100 Meilen Länge und von 5 bis 15 deut-
schen Meilen Breite, also ein sehr bedeutendes Terrain. Wir zahlen für
tropische Produkte, die wir bei uns nicht produzieren können, gegenwärtig