Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfter Jahrgang. 1889. (30)

310 Lerbien. (April 2. Hälfte—Mai 26.) 
derung der schwebenden Schuld beschließt der Finanzminister die 
Auszahlung des beim Bau der Eisenbahnen entstandenen Expro- 
priations-Betrages in Höhe von 1,200,000 Francs. 
Diese Summe wird durch Einbeziehung und Veräußerung von an 
die Wiener Nationalbank für den Schuldbetrag von 2 Millionen verpfändeten 
37,800 Stück serbischen Staatsloosen aufgebracht; für den obigen Schuld- 
betrag sind bei der Nationalbank insgesamt 49, 900 Stück unverkaufter ser- 
bischer Loose zu kaum der Hälfte des Nominalbetrages lombardiert. Hier- 
von reserviert der Finanzminister 22,000 Stück für Ausbezahlung von Kriegs- 
requisitionen, welche laut Gesetz zu 34 in Staatsobligationen und zu ¼ in 
Baarem auszuzahlen sind und deren Auszahlung bisher gleichfalls noch nicht 
effektuiert wurde. Da nun mehr als die Hälfte der Bankschuld durch diese 
22,000 Stück garantiert ist, erscheint die Auszahlung sowohl des restlichen 
Bankbetrages als auch der erwähnten Expropriationsschuld bei dem Um- 
stande, daß die serbischen Loose in Wien mit 37 fl. notiert werden, bereits 
vollkommen gesichert. 
2. Hälfte April. (Historische Erinnerungsefeier.) Der 
Ministerpräsident Gruitsch richtet namens der Regierung an die 
Regentschaft ein Schreiben, in welchem Folgendes ausgeführt wird: 
Am 15. Juni d. J. würden 500 Jahre verstrichen sein, seitdem die 
serbische Zarenkrone auf dem Amselfelde in serbischem Blute untertauchte, 
und dieser Tag sei für jeden Serben deshalb von Bedeutung, weil derselbe 
die Erinnerung an die einstige nationale Größe, sowie an die glänzenden 
Tugenden der Helden von Kussovo erwecke, und weil gerade diese Erinnerung 
den nationalen Geist Jahrhunderte hindurch und inmitten surchtborer Kämpfe 
wach erhalten habe. Nur dadurch sei die Unabhängigkeit Serbiens ermög- 
licht und dem nationalen Bewußtsein des Serbentums zum Siege verholfen 
worden. Die serbische Nation von heute könne deshalb auch nicht umhin, 
diesen nationalen Gedenktag in feierlicher, würdiger Weise zu begehen. Mit 
Nücksicht darauf stellt Minister Gruitsch folgende Anträge: Erstens sollen 
am 15. Juni im ganzen Lande Gedenkfeiern für den Zar Lazar und auf 
dem Amselfelde zum Andenken der für den Glauben an das Vaterland ge- 
fallenen Helden abgehalten werden; zweitens möge an demselben Tage der 
Grundstein zu einem Denkmale für die gefallenen Helden in Krusewatz ge- 
legt werden; drittens möge auf Staatskosten eine Volksausgabe einer Ge- 
denkschrift veranstaltet werden, welche sämtliche auf die Kussovoer Schlacht 
bezüglichen Volkslieder mit passenden Illustrationen enthalten solle; viertens 
möge ein Lazar-Orden gegründet werden, welcher nur eine Klasse haben 
solle und nur von serbischen Herrschern und deren Thronfolgern getragen 
werden dürfte; fünftens möge der König Alexander anläßlich der Feierlich- 
keiten am 20. Juni (a. St.) im Kloster Zucu gesalbt werden. Da die Re- 
genten die Anträge angenommen haben, wird eine eigens zu ernennende 
Kemmissson unter dem Vorsitz des Kultueministers die nötigen Verfügungen 
treffen 
26. Mai. (Fortschrittlicher Parteitag.) In Belgrad 
wird ein Parteitag der Fortschrittspartei abgehalten. 
Derselbe ist von 1500 Personen, zumeist aus teils früher, teils jetzt 
entlassenen oder pensionierten Beamten bestehend, besucht. Der Minister- 
präsident Garaschanin verteidigt in längerer Rede die Haltung der Fort- 
schrittspartei und ermahnt schließlich die Parteigenossen, die durch die ver- 
fassungsmäßig vollzogene Abdankung des Königs Milan geschaffene Situation
	        
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