Gt., Sũd. und Westafrika. (Januar 15.) 327
in derselben Weise aufbringen, wie das heute mit den arabischen Sklaven-
händlern auf der Ostküste der Fall ist. Wenn das die Absicht des Herrn
Abgeordneten gewesen ist, den Zunder weiter hinein zu werfen in das Land
durch die Anregung dieser Frage, durch die Aufstellung der Möglichkeit,
daß durch einen solchen Gewaltstreich ein Verhältnis gelöst werden könnte,
das seit Jahrtausenden dort einheimisch ist, ohne irgend eine Entschädigung,
ja, dann begreife ich seine Rede. Aber ich kann mir nicht denken, daß der
Herr Abgeordnete sympathifieren sollte mit dem Aufhetzen alles Ausländi-
schen gegen das deutsche Reich und gegen unser deutsches Vaterland, wie wir
es heutzntage in der Presse, die sonst ihn zu unterstützen pflegt, in der fort-
schrittlichen und freisinnigen Presse, nach allen Seiten hin zu spüren haben.
Wo man irgend etwas ausfindig machen kann, einen Stein, den man in
den Garten des Reichs werfen kann, wo man irgend einen fremden Intri-
ganten oder Reichsfeind bemerkt, den man unterstützen kann, da greift man
mit beiden Händen zu und ist begeistert, wenn man einen Vorwurf findet,
dem eigenen Vaterlande irgendwie Unannehmlichkeiten und Verlegenheiten zu
bereiten. Von dieser Tendenz spreche ich den Herrn Abgeordneten ja ganz
frei, denn sonst hätte er ja das Mandat zum Reichstag nicht angenommen;
und nur um zwischen ihm und dieser reichsfeindlichen, vaterlandslosen Presse
eine breite Scheidewand zu ziehen, habe ich in diesem Sinne das Wort
ergriffen.
Nachdem Abg. v. Kardorff einer der Großmachtstellung des Deut-
schen Reiches entsprechenden umfassenderen Kolonialpolitik das Wort geredet
und Abg. Richter sich gegen die Angriffe des Reichskanzlers auf die frei-
finnige Presse gewendet, kommt Reichskanzler Fürst Bismarck, ohne zunächst
auf die Ausführungen des Vorredners einzugehen, auf die Frage des Skla-
venhandels zurück und bemerkt: „daß wir es nicht für richtig halten, wie
er es für richtig erklärt, diese Frage bei der Freilassung der außerhalb un-
serer Gebiete in Sklaverei Lebenden anzufangen; wir halten es für ri tig,
dabei anzufangen, daß wir nach Möglichkeit verhindern, daß noch mehr freie
Leute in den Stand der Sklaverei gebracht werden, als bisher (sehr richtig!),
daß der Stand der Freien sich nicht vermindere, der Stand der Sklaven ch
nicht vermehre.
Das Ganze ist eine Frage, die nicht in einem Jahr, auch nicht in
einem Jahrzehnt erledigt werden kann, und mit der unsere Nachfolger sich
noch beschäftigen werden. Ich erinnere Sie, daß die Frage des eigentlichen
Negerhandels im englischen Parlament — wenn ich nicht irre, von den
Quäkern — schon im Anfang des vorigen Jahrhunderts zur Sprache ge-
bracht worden ist, daß Wilberforce und andere forces, jetzt gerade vor einem
Jahrhundert, zuerst die amtlichen Anträge darüber im englischen Parlament
gestellt haben. Seitdem sind also hundert Jahre emsiger, wenigstens von
englischer Seite recht emfiger und aufrichtiger Arbeit notwendig gewesen, um
diese Frage, eigentlich doch nur um ein Mäßiges, vorwärts zu schieben. In
Amerika hat die Sklaverei nominell aufgehört, zuletzt auch in Brafilien,
in Brasilien aber doch erst im vorigen Jahre, und so kann jea auch der
Moment in Zukunft gedacht werden, wo sie in Afrika verschwunden sein
wird, wenn dort erst Ruhe und Frieden auch im Innern eingetreten sein
werden. Aber wollte man dies vom Dienstag auf den Donnerstag herbei-
führen oder gar schon als fertig vorhanden ansehen, dann würde man in
denselben Fehler verfallen, in den einige unserer Träger der kolonisatorischen
Bestrebungen verfallen sind, indem sie die Stellung von Distriktskommissarien
an der Küste wilder Völkerschaften so angesehen haben, als wenn es sich
dabei um etwas ähnliches handelte wie bei der Entsendung eines Landrats
nach Brandenburg oder Teltow, als ob der Kommissar dort alles vorfinden