302 Nebersicht der politischen Eutwichelung des Jahres 1891.
wertvollere Zusage sein würde und ihm eine zuverlässige Basis für
die Politik auf eine ferne Zukunft hinaus sichert. (Preuß. Jahrb.
Bd. 68 S. 145.) Wenn nicht bei dem Flottenbesuch in Kronstadt,
so möchte dergleichen bei dem Besuche abgemacht sein, den der
Minister v. Giers auf der schon erwähnten Reise, die ihn zunächst
an den italienischen Hof führte, auch in Paris machte. Einen noch
kostbareren Preis aber als jenes politische Versprechen sollten die
Franzosen den Russen für die Gewährung ihrer huldvollen Freund-
schaft bezahlen. Schon lange hatte der russische Finanzminister
wieder das Bedürfnis nach einer großen Anleihe. Im Frühjahr
hatte er darüber bereits seinen Vertrag mit dem Hause Rothschild
abgeschlossen, als dies im letzten Augenblick von dem Abkommen
zurücktrat. Entweder weil es durch die Verbesserung der russischen
Finanzen den europäischen Frieden und damit seine eigenen Ge-
schäfte zu sehr zu schädigen fürchtete, oder, wie es verbreiten ließ
und was ihm jedenfalls eine sehr wohlanstehende Maske war, weil
es dem russischen Reich die Mißhandlung seiner jüdischen Glaubens-
genossen zu sehr verübelte und hier eine Milderung nicht durch-
zusetzen vermochte. An Stelle des Hauses Rothschild mußten also
andere französische Banken und namentlich das französische Publi-
kum gewonnen werden. Und wirklich verlief die Subskription glän-
zend, die Anleihe wurde 7 ½mal überzeichnet. Aber ehe das Publi-
kum die Stücke abnahm. erfolgte ein furchtbarer Rückschlag. Schon
lange waren aus dem Innern Rußlands Nachrichten nach Europa
gedrungen, daß in vielen Gouvernements eine völlige Mißernte ein-
getreten und infolge dessen ein allgemeiner Notstand zu besorgen
sei. Schon im August war deshalb ein Roggenausfuhrverbot er-
lassen; das russische Volk entbehrte also desjenigen Artikels, durch
dessen Hingabe es hauptsächlich seinen Austausch mit dem industriellen
Europa regulierte. Die Schilderungen von dem Notstand wurden
allmählich immer bestimmter und immer schwärzer. Dem Roggen-
ausfuhrverbot folgte das Verbot der andern Nährfrüchte und die
Ueberzeugung brach sich Bahn, daß Rußland einer Hungersnot und
einer furchtbaren wirtschaftlichen Krisis entgegengehe. Die oben
noch zu einem guten Kurse (79¾ für 3%) überzeichnete Anleihe
begann rapide zu sinken. Durch künstliches Eingreifen wurde der