174 Jas Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (November 23.)
lassen, er ist immer weiter fortgepflegt worden und hat in dieser Vorlage
seinen Ausdruck gefunden. Wir haben noch heute personell nach meiner
Ueberzeugung die Ueberlegenheit über jede andere Armee; unsere Generale
sind besser, unsere Offiziere sind besser und unser Mann ist besser. Wir
haben die Möglichkeit, unsere Stellung zu erhalten; aber woran es fehlt,
das ist die Starke und die Organisation. Wir sind zu schwach, zu alt und
zu lose in Bezug auf unsere Kriegsorganisation, und wir wollen verstärken,
verjüngen und verbessern.
Wir wollen verstärken. Die Vorlage, die Ihnen gemacht wird, gibt
die Zahl an. Wir wollen in Bezug auf die Gemeinen auf eine Zahl von
492,068 Mann als Jahresdurchschnitt hinkommen. Die Erhöhung beträgt,
die Unteroffiziere inbegriffen, 83,894. Das sind erhebliche Zahlen. Aber
ich möchte — ohne mich auf militärische Erörterungen, auf Zahlenvergleiche
mit anderen Staaten einzulassen — zunächst einen Einwand abzuwenden
suchen, den man gemacht hat. Ich selber habe das französische Wort „rage
des nombres“ in diesem Reichstag eingeführt, und man hat in der Presse
weidlich auf diesem Pferde herumgeritten und behauptet: wie kann dieselbe
Regierung, die von der rage des nombres gesprochen hat, jetzt mit einer
solchen Vermehrung des Heeres kommen? Zunächst möchte ich dagegen er-
widern, daß, wenn man einen hohen Wert auf die Güte der Truppen legt,
doch zuletzt immer ein Maß kommt, in dem die Zahl auch zur Geltung ge-
langt. Die besten Eigeuschaften müssen eben an einer Anzahl lebendiger
Leiber zum Auesdruck kommen, und wenn die Anzahl der Menschen zu gering
wird, so ist heute vielleicht in Afrika noch ein Erfolg möglich, aber in
Europa nicht mehr.
Dann läßt man vollkommen außer acht, daß wir in der Notwendig-
keit sind, anders wie andere Staaten, mit einem Kriege nach zwei Fronten
zu rechnen, und wir Gott danken wollen, wenn wir in einem Zukunft -kriege
auf jeder Front so stark sind, wie wir es in dem französischen Kriege ge-
wesen sind. Damit fällt der Einwand, daß wir schwerlich in der Lage sein
würden, diese Massen zu ernähren, zu bewegen und zu gemeinsamem Schlagen
zu bringen, fort. Das wollen wir auch nicht. Wir rechnen darauf, daß
diese Massen auf zwei Schauplätzen gebraucht werden und daß wenigstens
zur Aufsicht an einer Grenze so viele abgehen, daß die Zahl auf der anderen
Seite uns nicht unbequem wird. Wenn wir in der Lage wären, beim Aus-
bruch eines Krieges die Menge unserer Streiter unbequem zu empfinden,
so gibt es ein einfaches Mittel: man läßt die Alten zu Hause. Das haben
wir ins Ange gefaßt, und dahin geht gerade unser Streben: wir wollen
dahin kommen, nicht schon am ersten Mobilmachungstage, wie es jetzt der
Fall ist, gleich Landwehr zweiten Aufgebots und Landsturm einzuberufen.
(Hört, hört! rechts.)
Also, wenn wir höhere Zahlen wollen und bekommen, und wenn die
uns zu viel werden sollten, gibt es nichts einfacheres, als uns des Plus aus
älteren Jahrgängen zu entledigen. Wir wollen nicht Zahlen schaffen, sondern
Werte. Das aber unterliegt keinem Zweifel, daß der jüngere Mann, der
unmittelbar oder nach kurzer Pause aus dem Friedenspräsenzstand in das
Kriegsheer eingestellt wird — bei aller Hochschätzung der Eigenschaften der
Vaterlandsliebe und des Patriotismus der Landwehrleute — doch militärisch
einen höheren Wert besitzt. Können wir uns nun solche höheren Werte
sichern, warum sollen wir dann auf ältere Leute, die mehr darunter leiden,
deren Verwendung für das Land und das Heer nicht denselben Nutzeffekt
gewährt, zurückgreifen?
Ich möchte mich eines Vergleichs bedienen. Wir haben, um unsere
Wehrkraft zu erhöhen, auf einer schmalen Basis —- und die Bafis ist