Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achter Jahrgang. 1892. (33)

NMebersicht der politischen Entwickelung des Jahres 1892. 345 
vor allem in den sich immer und immer wiederholenden Anträgen 
auf Schluß der Diskussion gerade in den kritischeren Situationen 
verblüffend zum Ausdruck. 
Es waren 90—100 Anträge zum Parteitag aus den einzelnen 
Wahlkreisen eingegangen. Der größte Prozentsatz davon betraf die 
Agitation und Flugschriftenverteilung. Sonst beschäftigten sich die 
Anträge mit dem Staatssozialismus Vollmars', dem Vorwurf des 
„Meineids“ gegen die Partei, mit der Religion, den Parteigehältern, 
Jugendlitteratur, Rechtsschutz, Hilfskassen, Kontrollmarken, Genossen- 
schaftswesen, vor allem aber mit den Klagen über den „Vorwärts“ 
und die „Neue Welt“. Man sieht, es sind bis auf weniges durch- 
aus praktische Dinge, die sie behandeln. Die meisten von ihnen 
sollen noch im folgenden bei der Erörterung der einzelnen Punkte 
der Tagesordnung erwähnt werden. Hier nur einiges z. B. über 
die Anträge, betreffend die Religion und die Sozialdemokratie. Sie 
sind bis auf zwei Kleinigkeiten die einzigen Anträge auf eine Aende- 
rung des Programms, — ein Beweis, wie lebhaft immer und immer 
wieder gerade die Religionsfrage die Parteimitglieder beschäftigt. 
Es ist für unsere Freunde wertvoll, diese Anträge wörtlich zu kennen, 
darum geben wir dieselben hier wieder: 
1) II. Teil, Ziffer 6 des Programms, den Punkt „Religion 
ist Privatsache“ zu streichen und dafür zu setzen: „Die Religionen 
und deren Lehrer sind überall dort zu bekämpfen, wo dieselben dem 
Fortschritte der Wissenschaft entgegentreten, oder die nach Erlösung 
aus wirtschaftlicher und politischer Knechtschaft ringende Menschheit 
an der Erreichung dieses Zieles zu hindern suchen“. 
2) Den Passus 6 im Programm: „Religion ist Privatsache 
u. s. w.“ zu streichen. 
3) Dem II. Teil, Ziffer 6 des Programms folgende Fassung 
zu geben: „Religion ist für die Parteigenossen als Privatsache zu 
betrachten, jedoch erwartet die Parteileitung von allen denen, die 
in Religionssachen eine atheistische Anschauung haben, solche für 
sich und die Ihrigen nach Möglichkeit zur Durchführung zu bringen“. 
4) Die sozialdemokratische Fraktion des Reichstags und die 
sozialdemokratische Partei wolle nach Kräften für die Beseitigung 
des religiösen Eides wirken.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.