Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunter Jahrgang. 1893. (34)

Das Dentsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dez. 15. —16.) 167 
bimetallistischen Schriften geschieht. Sie drängen damit eine Frage in die 
Bevölkerung, die, unverstanden, wahrscheinlich viel tiefer und schwerer wirkt, 
als wenn sie verstanden würde. 
Das also find meine beiden Sünden: die Brüsseler Konferenz und 
dieser Ratschlag. Im übrigen, meine Herren, wenn Sie dem Bimetallis- 
mus näher treten wollen, ergreifen Sie doch die Wege; Sie haben ja ein 
Gesetz eingebracht, wir werden uns darüber sprechen. Ich bin gar nicht 
starrfinnig in dieser Frage. Ich bin überzeugt, wir haben die beste Wäh- 
rung; aber ich würde mit mir reden lassen, wenn ich wirklich die Ueber- 
zeugung gewänne, die ich zur Zeit nicht habe, daß durch eine Aenderung 
unserer Währung den Leiden eines großen Teils der Bevölkerung dauernd 
abgeholfen werden könnte. Ich kann noch nicht sagen, daß die Kaufkraft 
des Goldes so gestiegen wäre, daß dadurch ein schwerer Nachteil für die 
Bevölkerung, auch nur für die landwirtschaftliche Bevölkerung bestände, — 
auch wenn der Herr Abg. v. Staudy „Donnerwetter ja“ sagt (große Heiter- 
keit links und in der Mitte); ich vermag noch nicht abzusehen, daß das 
Gold knapp geworden ist. Die Königlich preußische Regierung befaßt sich 
mit der Sache ebenso ernst, wie das Reich, und der preußische Herr Han- 
delsminister hat Recherchen darüber angeordnet, wie es denn mit der Gold- 
produktion und dem Goldverbrauch steht. Sie können nicht erwarten, daß 
diese Recherchen von heute auf morgen einen Erfolg haben; das find Re- 
cherchen, die bis Australien, bis ins Innerste von Afrika gehen, sich fast 
auf jeden Weltteil erstrecken. Warten wir doch einmal ab, wie das ver- 
läuft. — Ja, Herr Frhr. v. Manteuffel, Sie sagen: „sehr ruhig“ (Zuruf 
rechts), — nun, da war es jedenfalls Ihr Herr Nachbar; jedenfalls bin 
ich gewohnt, die Zwischenrufe von diesen Plätzen zu erwarten. Also wir 
sollen nicht ruhig warten. Ja, meine Herren, wir könnten, auch wenn wir 
anders wollten, zur Zeit gar nichts anderes thun (sehr richtig! links), als 
ruhig abwarten. Wer von Ihnen will denn eigentlich veranlassen, daß 
die englische Regierung unter dem jetzigen Premierminister, der eine seiner 
größten und schärfsten Reden gegen den Bimetallismus gehalten hat, auf 
eine Aenderung der Währungsfrage eingeht? Bisher aber wenigstens — 
ich weiß nicht, ob ich jetzt eine Ausnahme nach der Richtung machen muß 
— ist die Welt darüber einig gewesen, daß eine Aenderung der Währungs- 
frage, ein Uebergang zum Bimetallismus ohne die Teilnahme von England 
nicht durchführbar sein würde. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.) 
Jedenfalls habe ich persönlich diese Ueberzeugung noch heute. Sie haben 
also kein Recht, aus meiner Haltung in der Währungsfrage den Vorwurf 
herzuleiten, ich wäre der Landwirtschaft nicht wohl gesonnen. Denn min- 
destens wird mir die überwiegende Mehrzahl von Ihnen zugeben müssen, 
daß, wenn ich auch der fanatischste Bimetallist wäre, im gegenwärtigen 
Augenblick es durchaus unmöglich ist, einen ersolgreichen Schritt auf dieser 
Bahn zu thun. Ich bitte Sie also, auch mit diesen Angriffen gegen meine 
Person etwas vorsichtiger zu sein. 
15. Dezember. (Reichstag.) Der rumänische Handelsver- 
trag wird ohne namentliche Abstimmung definitiv angenommen. 
15. Dezember. (Stuttgart.) Staatsrat v. Pischek wird 
zum Minister des Innern ernannt. 
15.—21. Dezember. Meuterei in Kamerun vgl. Afrika. 
16. Dezember. (Leipzig: Landesverratsprozeß.) Das 
Urteil gegen die beiden französischen Spione vor dem Reichsgericht
	        
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