Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 23.) 11
Eurer Majestät danken wir allerunterthänigst, daß es uns vergönnt
ist, uns dieser Stelle nahen zu dürfen.
Wir kommen in schwerer Sorge wegen des Niedergangs wie wegen
der Zukunft unseres landwirtschaftlichen Gewerbes, um uns ehrfurchtsvollst
an Eurer Majestät landesväterliches Herz unmittelbar zu wenden.
Unsere allerunterthänigste Bitte geht dahin, die von uns in einer
Denkschrift näher bezeichnete Sachlage huldvollst zu prüfen und unserer
Wünsche mit einem machtvollen Königsworte Sich Allergnädigst annehmen
zu wollen, wie dieses von Euerer Majestät Durchlauchtigsten Vorfahren
glorreichen Angedenkens zum Segen des Landes wiederholt geschehen ist.
Geruhen Eure Majestät Allergnädigst die Denkschrift entgegennehmen
zu wollen.
Der Kaiser erwidert hierauf:
Ich danke Ihnen, Meine Herren, daß Sie zu Mir gekommen sind
und sich unmittelbar an Ihren Landesvater wenden.
Wie Mein unablässiges Streben auf das Wohl Meines Landes ge-
richtet ist, so ist es auch Mein Wunsch und Wille, den Schwierigkeiten und
Sorgen abzuhelfen, mit welchen die Landwirtschaft, zumal in den östlichen
Provinzen, zu kämpfen hat.
Die Mittel und Wege, welche hiezu einzuschlagen, sind mannigfacher
Art und schwieriger Natur. Nur einer längeren Zeit wird es, auch bei
voller Hingabe Meiner Regierung an die gestellte Aufgabe, gelingen, dem
angestrebten Ziele näher zu kommen. Dazu bedarf es vor allem des Frie-
dens, zu dessen Erhaltung auch Sie beitragen können, indem Sie für die
Stärkung unserer Wehrkraft eintreten.
Die Wünsche, welche Sie Mir vortragen, werden von Meiner Re-
gierung eingehend geprüft und nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Je
mehr dies geschehen und das Gedeihen der Landwirtschaft gefördert werden
kann, desto größer wird Meine Befriedigung sein, da die Landwirtschaft
und die ackerbautreibende Bevölkerung mir besonders am Herzen liegen.
Ich erblicke gleich Meinen Vorfahren in ihr, wie Ich vor drei Jahren in
Königsberg auf dem Feste der Provinz ausgesprochen habe, eine Säule des
Königtums, die zu erhalten und zu festigen Mir Pflicht und Freude ist,
und Ich vertraue zuversichtlich, daß sie sich als solche in alter Treue alle-
zeit bewähren wird.
Die Denkschrift lautet:
Euerer Majestät nahen sich die allerunterthänigsten Vorsteher der
unterzeichneten landwirtschaftlichen Zentralvereine ehrfurchtsvoll in schwerer
Sorge. Seit langer Zeit krankt das landwirtschaftliche Gewerbe, von ein-
zelnen durch lokale Verhältnisse begünstigten Gegenden abgesehen, in stei-
gendem Maße. Wir sind uns dabei bewußt, daß, soweit unsere Kapital-
kraft und unsere Sorgsamkeit geht, wir den Betrieb einer rationellen Wirt-
schaft mit allen Kräften und nicht ohne Erfolg angestrebt haben. Wir
sind uns desgleichen wohlbewußt, daß unsere sinkenden Reinerträge teils auf
unabwendbare Faktoren der Produktion, wie ungünstige Witterung u. s. w.,
teils auf die Lage des Weltmarktes zurückgeführt werden müssen. Dem
unbestrittenen Notstande unseres Gewerbes gegenüber hat Euerer Majestät
hohe Staatsregierung, wie wir dankbarlichst anerkennen, vielfach den guten
Willen zur Beseitigung desselben bethätigt. Dagegen bedauern wir, nach
gerechter Prüfung unserer Lage, bestätigen zu sollen, daß diese guten Ab-
sichten, soweit dieselben gesetzgeberisch zum Ausdruck gelangt sind, bislang
eine wesentliche Aenderung unserer bedrängten Lage nicht zur Folge gehabt