Bes Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 4.—5.) 81
§ 1. Während der Dauer der Dienstpflicht im stehenden Heere sind
die Mannschaften der Kavallerie und der reitenden Feldartillerie die ersten
drei, alle übrigen Mannschaften die ersten zwei Jahre zum ununterbrochenen
Dienst bei den Fahnen verpflichtet. Im Falle notwendiger Verstärkungen
können auf Anordnung des Kaisers die nach der Bestimmung des ersten
Absatzes zu entlassenden Mannschaften im aktiven Dienst zurückbehalten
werden. Eine solche Zurückbehaltung zählt für eine Uebung, in sinnge-
mäßer Anwendung des letzten Absatzes des § 6 des Gesetzes, betreffend die
Verpflichtung zum Kriegsdienst, vom 9. November 1867 (Bundes-Gesetzblatt
1867 S. 131).
§ 2. Mannschaften, welche nach einer zweijährigen aktiven Dienst-
zeit entlassen worden sind (§ 1), kann im ersten Jahre nach ihrer Entlassung
die Erlaubnis zur Auswanderung auch in der Zeit, in welcher sie zum
aktiven Dienst nicht einberufen sind, verweigert werden. Die Bestimmung
des § 60 Ziffer 3 des Reichs-Militärgesetzes vom 2. Mai 1874 (Reichs-
Gesetzbl. 1874 S. 45) findet auf die nach zweijähriger aktiver Dienstzeit
entlassenen Mannschaften keine Anwendung. Auch bedürfen diese Mann-
schaften keiner militärischen Genehmigung zum Wechsel des Aufenthaltes.
§ 3. Mannschaften der Kavallerie und der reitenden Feldartillerie,
welche im stehenden Heere drei Jahre aktiv gedient haben, dienen in der
Landwehr ersten Aufgebots nur drei Jahre.
§ 4. Alle diesem Artikel entgegenstehenden Bestimmungen, insbe-
sondere die bezüglichen Festsetzungen des § 6 des Gesetzes, betreffend die
Verpflichtung zum Kriegsdienste, vom 9. November 1867, und des § 2 des
Artikels V des Gesetzes, betreffend Aenderungen der Wehrpflicht, vom 11.
Februar 1888 (Reichs-Gesetzblatt 1888 S. 11) treten außer Kraft.
Artikel III. Die Bestimmungen des Artikels II, § 1, erster Absatz,
finden für diejenigen Mannschaften, welche nach zweijährigem aktiven Dienst
hiernach zur Entlassung zu kommen hätten, im ersten Jahre nach Inkraft-
treten dieses Gesetzes keine Anwendung; jedoch zählt eine solche Zurück-
behaltung für eine Uebung, desgleichen eine etwaige Einberufung während
des angeführten Zeitraumes.
4. Juli. Es erscheint eine kaiserliche Verordnung, durch welche
die Ausfuhr von Streu= und Futtermitteln verboten wird.
5. Juli. (Bayern.) Urwahlen zur bayerischen Abgeordneten-
kammer. Es werden gewählt: 3 Konservative, 73 Klerikale, 7 Bauern-
bündler, 68 Liberale, 1 Volkspartei, 5 Sozialdemokraten. Zwei
Mandate sind zweifelhaft, jedoch voraussichtlich Bauernbündler. Die
Liberalen haben im Ganzen 7 Mandate verloren, darunter die
4 Nürnberger Mandate an die Sozialdemokraten und 3 weitere
Mandate an die Bauernbündler, unter letzteren Passau. Das Zen-
trum hat fünf seiner bisherigen Mandate eingebüßt, von diesen
das eine Mandat an die Sozialdemokratie und 4 weitere an den
Bauernbund. Andererseits hat das Zentrum den Wahlkreis Weißen-
burg von den Konservativen gewonnen. Die Volkspartei hat einen
Sitz in Ansbach gewonnen. Sonst sind anscheinend keine Verän-
derungen in der bisherigen Vertretung vorgekommen. Nicht wieder-
gewählt ist der bisherige Präsident der bayerischen Kammer Frhr.
Europ. Geschichtskalender. Bd. XXXIV. 6