Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 14./15.) 11
mittel entfalten könne; es ist ein Irrtum, zu glauben, daß der Deutsche,
der in ein Land geht, wo eine schlechte Verwaltung und eine schlechte Justiz
ist, von dem Deutschen Reich und seinen Vertretern verlangen könnte, daß
man ihm dort für eine gute Verwaltung und für eine unparteiische und
unbestechliche Justiz sorgt. Das sind unmögliche Dinge. Hier kann der
Vertreter helfen, er kann raten, kann in aller möglicher Weise dahin wirken,
daß dem betreffenden Deutschen sein Recht wird. Er muß reklamieren, so-
bald Justizverweigerung, Justizverzögerung, irgend ein rechtswidriger Ein-
griff, irgend ein Gewaltakt vorliegt. Es ist von jeher traditionelle deutsche
Politik gewesen, sich in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten nicht
zu mischen, und im Gegensatz zu dem Herrn Vorredner sage ich, wir wollen
keinen politischen Einfluß in jenen Ländern gewinnen, wir wollen uns von
den Parteikämpfen frei halten, wir wollen, wenn dort die leider Gottes
häufigen Bürgerkriege ausbrechen, volle Neutralität bewahren. Aber ich
meine, wir können von den Deutschen in jenen Ländern auch verlangen,
daß dieser unser Wille von ihnen respektiert wird, und wir können auch
nicht indirekt unsere Neutralität dadurch antasten, daß wir die schützende
Hand über diejenigen halten, die sich in die inneren Parteikämpfe mischen,
die Gesetze verletzen oder sich gar aktiv an Bürgerkriegen beteiligen, und
ich erkläre hier ausdrücklich, daß der Deutsche, der das thut, einen recht-
lichen Anspruch auf Schutz und Hilfe seitens der deutschen Vertretung für
die Folgen seiner ungesetzlichen Handlungen nicht hat, wobei es dem Er-
messen des Vertreters anheimgegeben ist, ob er aus Menschlichkeit etwas
für den betreffenden Deutschen thun will. Meine Herren, wir haben es
ferner stets für unsere Pflicht gehalten, amtliche Reklamationen nur dann
anzustellen, wenn wir den festen Boden des Völkerrrechts oder des Ver-
tragsrechts unter uns hatten, dann aber auch mit dem Nachdruck und der
Entschiedenheit vorzugehen, welche dem Ansehen und der Würde des Deut-
schen Reiches entspricht. Denn Reklamationen anzustellen und sich dann von
den fremden Regierungen nachweisen zu lassen, daß die Reklamation that-
sächlich unbegründet ist, scharf auftreten, mit dem Säbel klirren und schließ-
lich kurz treten, das ist niemals deutsche Art gewesen und soll es auch in
Zukunft nicht sein. (Bravo !) Aber freilich — und hier glaube ich, komme
ich den Anschauungen des Herrn Vorredners näher — zwischen der amt-
lichen Reklamation bei der dortigen Regierung, die immer eine ernste Sache
ist, uud zwischen dem absoluten Nichtsthun ist eine breite Mittelstraße, auf
der der Vertreter eine sehr fruchtbare und ersprießliche Thätigkeit zu Gunsten
der Deutschen entwickeln kann. Ja, man kann so weit gehen zu sagen, der
Vertreter verdient das höchste Lob, der die größte Wirkung zu Gunsten der
deutschen Interessen erzielt und dabei am wenigsten reklamiert. Diese
Thätigkeit hängt wesentlich von der Persönlichkeit des Vertreters ab, von
der Stellung, die er sich in der Kolonie gemacht hat, von dem Vertrauen,
das er bei der Kolonie und bei der Regierung erworben und davon, in
welchem Maße er es verstanden hat, bei der fremden Regierung die Ueber-
zeugung zu begründen, daß hinter ihm und seiner Thätigkeit die Macht
und der Wille des Deutschen Reiches steht. Diese Thätigkeit läßt sich aller-
dings von hier nicht reglementieren, und auch im einzelnen nicht kontrol-
lieren. Ich sage das nicht, um von hier aus die Verantwortlichkeit auf
den Beamten abzuschütteln; im Gegenteil, es kann einer ein guter und tüchtiger
Beamter sein und doch nicht fähig für die Thätigkeit, die ich eben beschrieben
habe, und eben darum ist die Verantwortlichkeit der Zentralstelle um so
größer bei der Auswahl der Personen, und wenn in dieser Beziehung ein
Mißgriff geschehen ist, so trifft die Verantwortlichkeit ausschließlich die
Zentralstelle; wenn also bezüglich des Herrn Peyer das geschehen ist, so