120 Has Ventsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Okt. 27.—Nov. 11.)
etwas bekannt geworden ist. Die vorstehenden Angaben über die Gründe,
warum der Besuch unterblieben sei, beruhen daher auf Erfindung" (4. Nov.).
Infolge dieser Notizen setzt sich die Diskussion in der Presse weiter
fort; die Mitteilung der „Bank= u. Handelsztg.“" wird bald auf Bis-
marck feindliche bald freundliche Seite zurückgeführt.
27./28. Oktober. Der Kaiser besucht den Schießplatz in
Meppen und die Kruppschen Werke in Essen. Ferner besucht
er eine Sitzung der Essener Stadtverordneten und hält dort fol-
gende Rede:
„Ich bin hierhergekommen, um eine Dankesschuld abzutragen. Sie
haben damals die Güte gehabt, für Mich einen Empfang vorzubereiten, wie
er zu erwarten war von einer so treu gesinnten Stadt wie Essen. Meine
Frau hat Mir über diesen Empfang berichtet, der sie überwältigt hat und
der ihr zu Herzen gegangen ist. Es war ein würdiger Abschluß für die
schöne Reise, die Ich mit ihr geplant. Ich danke für diesen Empfang, den
Sie Mir zugedacht haben, und Ich freue Mich, nochmals Ihnen, Herr
Oberbürgermeister, persönlich danken zu können. Die Geschichte der Stadt
bürgt Mir dafür, daß die Gesinnungen, welchen Sie, Herr Oberbürger-
meister, Ausdruck verliehen haben, auch von der Bürgerschaft geteilt werden
und Ich bin überzeugt, daß Ich auch in Zukunft in der Stadt Essen eine
patriotische, vaterlandsliebende Bürgerschaft finden werde."
Anf. November. Die Presse über die amerikanische Präsi-
dentenwahl.
Die Anhänger der Goldwährung betrachten den Sieg Mac Kinleys
als eine Rettung des ehrlichen Geldes, wenn er auch als Hochschutzzöllner
nur das kleinere von zwei Uebeln darstelle. So die „Voss. Ztg“, „Nat.
Ztg.", „Vorwärts". Die „Deutsche Tagesztg.“, „Volk", „Kreuz-
Ztg.“ führen aus, der Sieg Mac Kinleys sei nur durch Bestechung er-
möglicht und bedeute nur eine Verschiebung der Währungsreform.
9. November. Eine Kaiserliche Kabinetsordre verfügt die
Trennung des Sanitätskorps der Marine von dem der Armee.
9. November. (Preußen.) Ein königlicher Erlaß bestimmt,
daß als Farben der Provinz Posen Weiß-Schwarz-Weiß zu gelten
haben.
10. November. (Frankfurt a. M.) Eine Vertrauens-
männerversammlung der Christlich-Sozialen beschließt nach Vor-
trägen von Hofprediger a. D. Stöcker, Pfarrer Weber und Pfarrer
Wahl ihren Parteigenossen zu empfehlen, den Versammlungen der
jüngeren Christlich-Sozialen fern zu bleiben.
10./11. November. (Reichstag.) Zweite Beratung des
Gesetzentwurfs, betr. Anderungen und Ergänzungen des Gerichts-
verfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung (vgl. S. 3).
Abg. Stadthagen (Soz.) befürwortet einige sozialdemokratische
Anträge, welche die Unabhängigkeit der Richter stärken sollen. Danach sollen
die Richter nur aus denselben Gründen ihres Amtes enthoben werden