Object: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1857 Polnische Parteien. 475 
nach freier Übereinkunft der Betheiligten, weiterhin nach dem- 
nächst gesetzlich festzustellenden Normen, zu deren Instruirung 
und Vorbereitung besondere Behörden niedergesetzt wurden. 
Dies Alles war denn schön und gut und stellte dem 
Lande die erheblichste Verbesserung in Aussicht. Dennoch 
aber war es begreiflich, daß dem neuen System nicht alle 
Herzen sogleich mit hingebender Dankbarkeit entgegen flogen. 
Zu schwer hatte der Druck gelastet, zu tief der Haß sich ein- 
gefressen; bei den gebildeten Classen hielt auf der einen 
Seite der nationale Gedanke, auf der andern die demokratische 
Zeitströmung den Grimm gegen Rußland und die zarische 
Allmacht lebendig. Es war ein altes Wort, unter einem 
milden Herrscher könne, unter einem strengen müsse Polen 
sich erheben. In jeder von Petersburg kommenden Wohl- 
that sah man also nur eine Abschlagzahlung, in jeder etwa 
vom Kaiser zu gewährenden Freiheit eine Waffe zum weitern 
Kampfe gegen die verfluchte Fremdherrschaft. Freilich gingen 
über die Mittel und Wege zu diesem Ziele die Ansichten weit 
auseinander, und vom ersten Tage an traten eine gemäßigte 
und eine radicale Partei, späterhin kurz die Weißen und die 
Rothen genannt, sich gegenüber. Den Kern der Erstern 
bildeten die großen Grundherren, welche jetzt in dem von 
ihnen geleiteten landwirthschaftlichen Verein eine feste, das 
ganze Königreich umfassende Organisation besaßen. Ihre 
Meinung ging dahin, zunächst den guten Willen des Kaisers 
zu benutzen, für das Königreich wieder eine autonome, von 
Rußland getrennte Verwaltung zu erlangen, darauf die Her- 
stellung der liberalen Verfassung von 1815 und eines polni- 
schen Nationalheeres durchzusetzen, und auf solche Art die 
Mittel zur Erreichung voller Unabhängigkeit vorzubereiten.
	        
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