Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

Bie Gesterreichisch-Augerisze Monearchie. (Mai 1.—4.) 159 
1. Mai. (Wien.) Bei der sozialdemokratischen Maifeier 
kommt es zu starken Tumulten, so daß Militär einschreiten muß. 
2. Mai. (Pest.) Beginn der ungarischen Millenniumsfeier- 
lichkeiten. Eröffnung der Landesausstellung. Rede des Königs. 
Das Königspaar begleitet von den meisten Erzherzogen und Erz- 
herzoginnen, den Ministern und dem diplomatischen Korps — ausgenommen 
die Serben — eröffnet die Landesausstellung. Auf die hierbei ge- 
haltene Ansprache des Handelsministers Daniel verliest der König in 
magyarischer Sprache folgende Antwort: Von aufrichtiger Freude erfüllt, 
find wir zur Eröffnung dieser einen geschichtlichen Zeitabschnitt bezeichnenden 
Ausstellung erschienen. Besonders wird aber diese Freude dadurch erhöht, 
daß zur Verherrlichung des 1000jährigen Bestehens des ungarischen Staates 
in erster Reihe durch die Darstellung der Früchte der Arbeit eine so viel- 
hundertjährige Entwickelung der geistigen und materiellen Schaffenskraft, 
ein so hervorragendes Friedenswerk steht. Diese Ausstellung wird, wie ich 
hoffe, vor aller Welt bezeugen, daß die ungarische Nation, nachdem sie 
diesen Staat ein Jahrtausend hindurch unter manchen widrigen Umständen 
glorreich erhalten hat, nicht nur durch ihre Tapferkeit auf dem Schlacht- 
felde den Thron und das Vaterland jederzeit zu beschützen wußte, sondern 
auch auf dem Felde der Kultur einen würdigen Platz errungen hat und 
unter den civilisierten Völkern einnimmt. Sie wird ferner jenen Eifer und 
jene Opferwilligkeit bezeugen, mit welcher das ganze Land um das Zu- 
standekommen dieser Ausstellung sich bemühte, sowie auch jene zum Dank 
verpflichtende Bereitwilligkeit und Sympathie des Auslandes, welche dasselbe 
durch Ueberlassung vieler wertvoller Gegenstände vom Gesichtspunkte der 
Ausstellung bethätigte. Bezeugen wird sie endlich, daß, wenn auch auf 
dem politischen Kampfplatze viele zur Geltendmachung ihrer patriotischen 
Gefühle verschiedene von einander abweichende Wege wählten, alle Bürger 
in Treue zu der heiligen ungarischen Krone und bei der nütlichen Arbeit 
sowie bei der Verbreitung der Wissenschaften und hierdurch bei der Förde- 
rung der Macht und des Ruhmes des Landes vereint und in voller Einig- 
keit zu finden sind. Ich wünsche aufrichtig, daß dieser Einklang und diese 
brüderliche Einigkeit segenbringend auf alles das sich ausdehnen möge, was 
zur Beglückung und zur Sicherung der Zukunft unseres geliebten König- 
reichs Ungarn dienen kann, und daß der bisher erreichte Erfolg ohne jede 
Selbstüberschätzung ein mächtiger Ansporn zu weiterm Schaffen und Fort- 
schreiten sein soll. Indem wir Gott bitten, er möge unser Flehen erhören 
und mit seinem Schutze und Segen diese Ausstellung begleiten, erkläre ich 
dieselbe hiermit für eröffnet. 
Die Beteiligung des Volkes ist sehr lebhaft. Vom Auslande laufen 
zahlreiche Glückwünsche ein, so vom Deutschen Kaiser, vom Zaren, vom 
König von Italien, von der Königin von England. 
4. Mai. Osterreichisch-Ungarischer Ausgleich. Veröffentlichung 
der Beschlüsse der Quotendeputationen. 
Beide Deputationen stimmen in der zehnjährigen Dauer der neuen 
Vereinbarungen und in der Gemeinsamkeit des Zollgefälles überein. Die 
Differenzen bestehen darin, daß die ungarische Deputation die Vorwegnahme 
von 2% der Gesamtauslagen für die Militärgrenze zu Lasten Ungarns 
ablehnt und verlangt, daß die Beitragsbestimmung in einer Gesamtziffer 
Ausdruck finde; ferner darin, daß die österreichische Deputation die Beitrags- 
quote mit 58 zu 42 nach Abzug des 2proz. Präzipuums zu Lasten Ungarns
	        
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