162 Vie Gesterreichisch-Angariseze Monargzie. (Juni 3.—9.)
daß Sie nun an die Erfüllung der Ihnen obliegenden Aufgaben mit patrio-
tischem Pflichteifer herantreten werden, wünsche Ich Ihren Arbeiten den
besten Erfolg und heiße Sie herzlichst willkommen."“
3. Juni. (Pest.) Abgeordnetenhaus. Erklärung Ugrons
über das Wahlrecht und die Lage der Nationalitäten.
Abg. Ugron, der Führer der Unabhängigkeitspartei erklärt, er
teile nicht die von vielen Magyaren gehegte Befürchtung, daß das allge-
meine Wahlrecht das Uebergewicht der Nationalitäten sichere und die Auto-
nomie Ungarns gefährde. Es sei besser, die Magyaren böten den Nationali-
täten ihr gutes Recht, als daß diese es mit ihrer heutigen Agitation
eroberten. Den Nationalitäten geschehe thatsächlich Unrecht. Sie würden
mit anderm Maße gemessen als die übrigen Bürger. Die Aufgabe des
ungarischen Staates sei es jedoch, sie zu gemeinsamer Arbeit heranzuziehen
und zu zufriedenen Bürgern des Landes zu machen. Deshalb müsse aber
vor allem der Augiasstall gereinigt werden, in welchem ein durch und
durch korruptes System seit 30 Jahren allen Schmutz der Welt zusammen-
gebracht habe.
Juni. (Ungarn.) Jubiläumsfeste.
Am 5. Juni erfolgt in Pest die feierliche Ueberführung der unga-
rischen Kroninsignien in die Krönungskirche unter Teilnahme der höchsten
geistlichen und weltlichen Würdenträger. Am 8. werden die Insignien
in das neu erbaute Parlamentsgebäude gebracht. Dort findet eine
Einweihungssitzung des Reichstags statt, in der in Gegenwart der meisten
Mitglieder des Königlichen Hauses das soeben vom Könige sanktionierte
Millenniumsgesetz verlesen wird. Hierauf begeben sich die Reichstags-
mitglieder zur Huldigung vor dem Könige in die Hofburg nach Ofen. —
Ferner werden Grundsteine zu mehreren Millenniumsdenkmälern gelegt,
der erste am 27. Juni zu einer Bildsäule Arpads bei Szege din.
9. Juni. (Pest.) Österreichische Delegation. Graf Golu-
chowski über die auswärtige Politik Osterreich-Ungarns.
Der Minister des Auswärtigen Graf Goluchowski führt im Budget-
ausschuß aus, die Lage sei friedlich, obgleich einige Wirren im Orient ge-
eignet gewesen seien, einen Brand zu entfachen. Zuerst vereingelt auf-
tauchende Wirren in Makedonien hätten sehr bald einen Widerhall in Bul-
garien gefunden, wo eine weitverzweigte Organisation den Ausbruch einer
fast alle Balkanstaaten umfassenden Bewegung leicht zur Folge haben konnte;
erst auf die Initiative Oesterreich-Ungarns sei eine Kundgebung sämtlicher
Signatarmächte des Berliner Vertrages erfolgt und habe dem wüsten Treiben
ein Ende gemacht. Schon nach wenigen Wochen habe eine ersprießliche
Wirkung der Aktion konstatiert werden können. Nicht minder habe sich
eine vom Standpunkte des europäischen Friedens angestrebte und zuletzt
erzielte Einmütigkeit der Mächte in der armenischen Frage bewährt. „Wir
wollten“, so fuhr der Minister fort, „uns ursprünglich an der von Eng-
land, Frankreich und Rußland inszenierten Aktion trotz der Sympathie
für die christliche Bevölkerung in Kleinasien nicht beteiligen, da wir neben
anderen Ursachen von einzuleitenden diplomatischen Schritten keine ersprieß-
liche Wirkung erhofften, vielmehr für die Armenier Unheil vorahnten.
Thatsächlich blieben die bewilligten Reformen ein toter Buchstabe und
führten andererseits zu den bekannten Greuelthaten. Die besten Absichten
des Sultans scheiterten an dem unbesiegbaren Widerstande der vielfach
korrupten türkischen Verwaltung. Gerade in dem Momente, wo die größte