12 Das Denitsqhe Reit und seine einzelnen Glieder. (Januar 18.)
die Rechte des Reiches und seiner Glieder zu schützen, Frieden zu wahren,
die Unabhängigkeit Deutschlands zu stützen und die Kraft des Volkes zu
stärken, ist mit Gottes Hilfe bis dahin erfüllt. Von dem Bewußtsein ge-
tragen, daß es berufen sei, Niemandem zu Liebe und Niemandem zu Leide
im Rate der Völker seine Stimme zu Gunsten des Friedens zu erheben,
hat das junge Reich sich ungestört dem Ausbau seiner inneren Einrichtungen
überlassen können. In freudiger Begeisterung über die heiß ersehnte und
schwer errungene Einheit und Machtstellung, in festem Vertrauen auf die
Führung des großen Kaisers und auf den Rat bewährter Staatsmänner,
insonderheit seines Kanzlers des Fürsten von Bismarck, stellten sich die
werkthätigen Kräfte der Nation rückhaltlos in den Dienst der gemeinsamen
Arbeit. Verständnisvoll und opferbereit bethätigte das Reich seinen Willen,
das Erworbene festzuhalten und zu sichern, die Schäden des wirtschaftlichen
Lebens zu heilen und bahnbrechend den Weg zur Förderung der Zufrieden-
heit der verschiedenen Klassen der Bevölkerung vorzuzeichnen. Was in dieser
Beziehung geschehen und geschaffen ist, dessen wollen wir uns freuen. Neben
der Ausbildung unserer Wehrkraft, welche zum Schutze der Unabhängigkeit
des Vaterlandes auf der Höhe der Leistungsfähigkeit zu erhalten Unsere Kaiser-
liche Pflicht ist, haben Gesetzgebung und Verwaltung in deutschen Landen
die Wohlfahrt auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens und der wirt-
schaftlichen Thätigkeit zu pflegen sich angelegen sein lassen. Freie Bahn
für die Entfaltung der geistigen und materiellen Kräfte der Nation, Hebung
des durch diese Entfaltung bedingten Wohlstandes, Herstellung einheitlichen
Rechts, Sicherung unparteiischer, achtunggebietender Rechtspflege und Er-
ziehung der Jugend zur Gottesfurcht und Treue gegen das Vaterland, das
sind die Ziele, welche das Reich erstrebt hat. So wertvoll aber die bisher
erreichten Erfolge auch sein mögen, nicht müde werden wollen wir bei der
Fortsetzung des uns vorgezeichneten Weges. Der weitere Ausbau der Reichs-
einrichtungen, die Festigung des Bandes, welches die deutschen Stämme
umschlingt, die notwendige Abwehr der mancherlei Gefahren, denen wir
ausgesetzt sind, erfordert neben den Ansprüchen einer schnell voranschreiten-
den Entwicklung aller Zweige menschlicher Thätigkeit dauernd unsere rast-
lose und hingebende Arbeit. Wie Wir selbst von Neuem geloben, dem
Vorbild Unseres in Gott ruhenden Herrn Großvaters in treuer Pflicht-
erfüllung nachzueifern, so richten wir an alle Glieder des Volkes Unsere
kaiserliche Aufforderung, unter Hintansetzung trennender Parteiinteressen
mit Uns und Unseren Hohen Verbündeten die Wohlfahrt des Reiches im
Auge zu behalten, mit deutscher Treue sich in den Dienst des Ganzen zu
stellen, um so in gemeinsamer Arbeit die Größe und das Glück des ge-
liebten Vaterlandes zu fördern. Geschieht dies, so wird, das hoffen Wir
zuversichtlich, auch ferner der Segen des Himmels uns nicht fehlen, dann
werden wir, wie in jener großen Zeit, geeint und fest allen Angriffen auf
unsere Unabhängigkeit begegnen und ungestört der Pflege unserer eigenen
Interessen uns hingeben können. Das Deutsche Reich aber wird, weit ent-
fernt davon, eine Gefahr für andere Staaten zu sein, begleitet von der
Achtung und dem Vertrauen der Bölker nach wie vor eine starke Stütze
des Friedens bleiben. Daß Dem so sei, das walte Gott!
Gegeben Berlin im Schloß, den 18. Januar 1896.
(L. S.) Wilhelm.
Fürst zu Hohenlohe.
Auf dem Festmahl im Schlosse hält der Kaiser folgende
Rede:
„Der heutige Tag, ein Tag dankbaren Rückblickes, wie das ganze