Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

Großbrilannien. (April 22. —28.) 195 
22. April. (London.) Chamberlain über die Lage in Süd— 
afrika. 
Der Kolonialminister Chamberlain hält im Konstitutional-Klub 
eine Rede über Englands Politik in Südafrika. Die Interessen Englands 
dort seien denen einer jeden anderen Macht überlegen, und England werde 
auf alle Gefahr hin und aller Kosten ungeachtet sich der Einmischung einer 
jeden fremden Macht widersetzen. Die Holländer in Südafrika seien bis- 
lang in der Mehrzahl, und würden dies wahrscheinlich noch viele Jahre 
bleiben, es sei deshalb die Pflicht eines jeden Staatsmannes, nach Kräften 
die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Holländern und den Eng- 
ländern aufrecht zu erhalten. Die Holländer in der Kapkolonie seien loyal, 
sympathisierten aber mit denen in den beiden benachbarten Republiken. 
Die südafrikanische Republik sei augenblicklich die einzige unter den zivili- 
sierten Nationen, die dem Hauptbestandteil ihrer Bevölkerung die allerge- 
wöhnlichsten bürgerlichen Rechte versage. Die Verwaltung sei mangelhaft 
und korrupt, und es seien wirkliche Uebelstände vorhanden. Die verächt- 
liche Behandlung berechtigter Ansprüche der Mehrzahl der Bevölkerung 
müsse für die Zukunft weitere Schwierigkeiten verursachen. Er hoffe zuver- 
sichtlich, es werde das Verhältnis in nicht zu langer Zeit sich wieder so 
gestalten, wie vor dem Einfall Jamesons in Transvaal. Aber es sei Ge- 
duld nötig, und er werde alle Mittel der Ueberredung, der Beweisführung 
und der Verhandlung erschöpfen, um dieses Ziel zu erreichen. 
28. April. (Unterhaus.) Chamberlain teilt mit, daß er den 
Präsidenten Krüger aufgefordert habe, die über die Führer des 
Jameson'schen Friedensbruches verhängte Todesstrafe nicht zu voll- 
strecken (vgl. Afrika). 
28. April. Das Unterhaus genehmigt mit 266 gegen 124 
Stimmen einen Antrag Balfours, die ganze Zeit der Session den 
Regierungsvorlagen zu widmen. 
April. Präsident Krügers Antwort auf Chamberlains Ein- 
ladung (S. 189). Scheitern der Reise nach England. 
Auf die Einladung nach London zu kommen antwortet Krüger, er 
sei überzeugt, die britische Regierung werde die Schwierigkeit seiner Stellung 
anerkennen und würdigen, er halte es für weiser, die Frage seiner Reise 
nach England gegenwärtig nicht zu erörtern, ganz besonders im Hinblick 
auf die herannahende Tagung des Volksraads, welche im Mai beginne und 
seine Gegenwart wenigstens während eines Teiles derselben in Prätoria 
nötig mache, da wichtige Maßregeln von der gesetzgebenden Körperschaft be- 
raten werden müßten. Ferner verlangt Krüger die Erörterung der Ab- 
schaffung der Londoner Konvention und die endgültige Regelung der Swasi- 
landfrage und Widerrufung der der Chartered Company erteilten Charter. 
— Unter diesen Umständen zieht die Regierung die Einladung zurück 
(27. April), da die Anschauungen Krügers zu weit von den ihrigen ab- 
wichen, um eine Einigung erhoffen zu lassen. Die englische Presse begleitet 
diese Verhandlungen mit lebhaften Betrachtungen, ein Teil, wie der „Ob- 
server“ behauptet, Krüger plane eine allgemeine antienglische Insurrektion 
in Südafrika, und der hohe ehrliche Sinn der englischen Staatsmänner 
lasse sich von den lügenhaften Holländern überlisten. 
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