Fra#nkreich. (Februar 11. 209
11. Februar. Minister des Ausw., Berthelot, notifiziert
den Mächten die Besitzergreifung Madagaskars (vgl. Hanotaux,
Revue de Paris 1896, 1).
11. bis 21. Februar. Konflikt des Senats mit dem Kabinet
und der Deputiertenkammer aus Anlaß der Südbahnfrage.
Am 11. Februar wird der Justizminister Ricard im Senat be-
fragt, warum er den mit der Untersuchung der Südbahnangelegenheit (val.
1895 S. 247) betrauten Richter Rempler durch einen andern ersetzt habe.
Justizminister Ricard erklärt die Ersetzung für gesetzmäßig und notwendig,
der Senat erklärt sie jedoch mit 158 gegen 85 Stimmen für unregelmäßig.
Am 13. bespricht in der Deputiertenkammer der Radikale
Pams in einer Interpellation die Untersuchung der Südbahnfrage und
greift das Votum des Senats heftig an. Justizminister Ricard: Die
Kammer habe dem Kabinet den Auftrag gegeben, Aufhellung in die Süd-
bahnangelegenheit zu bringen, welche der Senat zu verhindern versucht
habe. Der Wechsel des Untersuchungsrichters sei gerechtfertigt. Der erste
Richter sei mit der Untersuchung betraut gewesen. Er, Ricard, ließ einen
Wechsel eintreten, um die Untersuchung zu beschleunigen. Der Minister
will die volle Verantwortlichkeit für seine Handlungsweise übernehmen, er
werde fortfahren, die Wahrheit ans Licht zu bringen; es verstehe sich von
selbst, daß seine Befehle zur Ausführung gelangen. — Die Kammer spricht
der Regierung ihr Vertrauen aus mit 326 gegen 43 Stimmen.
Am 15. Februar wiederholt der Senat in einer neuen Inter-
pellation, obwohl der Justizminister und der Ministerpräsident Bourgeois
die Regierung verteidigen, sein Tadelsvotum mit 161 gegen 67 Stimmen.
Trotzdem beschließen die Minister ihre Demission nicht zu geben und ihre
von der Kammer gebilligte Politik fortzusetzen (16. Febr.). Am 20. Februar
greift der Abg Ribot (früher Ministerpräsident) in der Deputierten-
kammer die Regierung heftig an, das Kabinet erhält jedoch abermals mit
309 gegen 185 Stimmen ein Vertrauensvotum.
Am folgenden Tage verliest Demöle im Senat eine Erklärung,
die gegen die Anmaßung des Kabinets Einspruch erhebt, ohne den Senat
zu regieren und sich gegenüber einer Kammer auf die andere zu berufen.
Der Senat werde das ihm verfassungsmäßig zustehende Recht wahren und
nehme aufs neue sein Recht der Kontrolle des Kabinets in Anspruch und
fordere die Verantwortlichkeit des Kabinets vor den beiden Kammern. Der
Senat wolle indessen das legislative Leben nicht unterbinden und werde im
Interesse des Landes fortfahren, die Anträge des Kabinets zu prüfen. Das
Land werde zwischen dem Kabinet und dem Senat zu entscheiden haben,
welch letzterer trotz des ihm zustehenden Rechtes den Konflikt nicht ver-
schärfen wolle. — Diese Erklärung wird mit 184 gegen 160 Stimmen
gebilligt.
Februar. Die Presse über den Streit zwischen Deputierten-
kammer, Ministerium und Senat.
In der Oeffentlichkeit werden die verschiedenen Phasen des Kon-
fliktes lebhaft beobachtet und kommentiert. In der Erklärung des Senats
vom 21. sehen die meisten Blätter ein Nachgeben des Senats, wodurch der
akute Konflikt beendigt ist. „Matin“ und „Gaulois“ rechtfertigen das
Verfahren des Senats als einzigen Ausweg zwischen Auflösung und Revi-
sion. Die radikalen Blätter jubeln; „Intransigeant“: „Obgleich die
Enuropäischer Geschichtskalender Bd. XXXVII. 14