210 Frankreich. (Februar 24.—März 7.)
Senatoren eingestehen, daß die Kammer gegen die Verfassung rebelliert,
fahren sie fort, von Rebellen Gesetzentwürfe entgegenzunehmen.“ „Rappel“:
„Die weißbärtigen Helden des Senats, die das Kapitol retten wollen, haben
ohne Kampf kapituliert.“ „Libre Parole"“: „Gestern hat der Senat, der
von der öffentlichen Meinung zum Tode verurteilt worden ist, durch seine
Erklärung ein Begnadigungsgesuch eingereicht.“
24. Februar. Die Deputiertenkammer bewilligt mit
502 gegen 28 Stimmen eine Million für die Vertretung Frank-
reichs bei der Kaiserkrönung in Moskau (Genehmigung im Senat
einstimmig am 28. Februar).
25. Februur. Die Kammer wählt in die 33 Mitglieder
starke Budgetkommission 29 Gegner der von Finanzmin. Doumer
geplanten Einkommensteuer.
Anf. März. Die Presse über die italienische Niederlage in
Afrika.
Allgemein wird angenommen, daß die Niederlage weittragende poli-
tische Folgen haben und daß Crispi zurücktreten werde. Die koloniale
Eroberungspolitik sei unmöglich geworden. Der „Figaro“ glaubt an ein
allmähliches Zerbröckeln des Dreibundes, die radikalen Blätter wie „Petite
Republique“ und „Intransigeant“ hoffen, daß die Monarchie in
Italien gefährdet sei.
Anf. März. Reise des Präsidenten Faure nach Südfrankreich.
Der Präsident der Republik enthüllt in Nizza ein Denkmal zur
Erinnerung an die vor 100 Jahren erfolgte Angliederung an Frankreich
(4. März), und begrüßt in Mentone den Kaiser von Oesterreich, den Fürsten
von Monaco und den russischen Thronfolger. — Der Präsident wird auf
der Reise häufig mit Kundgebungen gegen den Senat empfangen, der
in begleitende Ministerpräsident Bourgeois ist Gegenstand vielfacher
vationen.
7. März. Der Budgetausschuß der Deputiertenkammer spricht
sich gegen den Entwurf der Einkommensteuer des Finanzministers aus.
Die vom Finanzminister Doumer geplante Einkommensteuer soll
eine Ersatzsteuer sein für den Ausfall der Personal-, Mobiliar-, Thür= und
Fenstersteuer. Sie soll den durch Abschaffung dieser Steuern sich ergeben-
den Ausfall von 150 Millionen Franken decken, soll außerdem noch 5 Mil-
lionen aufbringen, um eine Reform der Steuer auf nicht bebautes Grundeigen-
tum vorzubereiten, und weiter 1 Mill. als Unterstützungsbeitrag zu den Kosten
für diejenigen Gemeinden, die zu einer Neuanlegung des Katasters schreiten.
Die Bestimmungen sind folgende: Ein jährliches Einkommen, das den Be-
trag von 2500 Franken nicht übersteigt, ist steuerfrei. Von dem steuer-
pflichtigen Einkommen über 2500 Franken wird jedoch jedesmal ein Bruch-
teil als steuerfrei abgezogen. Es bezahlen Einkommen von 2500 bis 5000 Fr.
1 Prozent, von 5000 bis 10000 Franken 2 Prozent, von 10000 bis
20000 Franken 3 Prozent, von 20 000 bis 50000 Franken 4 Prozent.
Der volle Satz von 5 Prozent wird von Einkommen über 50000 Franken
erhoben, aber die Sätze werden nicht ganz erreicht infolge der Bestimmung,
daß 2500 Franken in Abzug zu bringen sind. Steuerpflichtige mit 5000
Franken Einkommen werden also thatsächlich nur ½ Prozent, solche mit