Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

32 Das Veeutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 13.) 
eine hochgradige Erregung gegen Deutschland Platz gegriffen hat, die in 
Wort, Schrift und Bild einen sehr scharfen Ausdruck findet. Ich unter- 
lasse den aussichtslosen Versuch, gegen Stimmungen mit Argumenten zu 
kämpfen. Ich will mich auch hüten, ein Wort zu sprechen, welches Oel 
ins Feuer gießen könnte. Ich beschränke mich darauf, die Thatsachen, wie 
sie sich wirklich zugetragen haben, gegenüberzustellen den Legenden und den 
falschen Vermutungen, welche aus der Erregung des Tages in reicher 
Fülle hervorgewachsen sind. Wir haben ja mancherlei lesen müssen, 
was für schwarze Pläne wir geschmiedet haben gegen England, wie 
arglistig wir das Burenvolk in unsere Netze eingesponnen haben, um 
es als Werkzeug gegen englisches Recht zu gebrauchen, wie wir gleich- 
sam die Agents provocateurs gewesen sind beim Jameson'schen Zug, und 
die Niederlage des Dr. Jameson für uns eine schwere Enttäuschung war, 
weil sie uns des Vorwandes beraubte, eine von langer Hand her vorbe- 
reitete Intervention ins Werk zu setzen. (Heiterkeit.) Solche Dinge erklären 
sich aus der Erregung des Augenblicks. Wer ernstlich solche Dinge be- 
hauptet, der trifft nicht uns, der bekundet nur seine Unbekanntschaft mit 
deutscher Art und mit deutscher Sitte. (Lebhafter Beifall.) Eine Politik, 
die diese Wege ginge, die durch solche Mittel und zu solchem Ziele die Be- 
völkerung großer Nationen und die zahlreichen Interessen, die davon ab- 
hängen, leichtfertig aufs Spiel setzt, eine solche auswärtige Politik ist in 
Deutschland nicht möglich (Sehr wahrl) und wenn sie hervortreten wollte, 
so würde sie gar bald vor dem Unwillen der ganzen Nation verschwinden. 
(Sehr wahrl) Es ist nicht deutsche Art, Händel zu suchen, Ränke zu 
schmieden und fremdes Recht anzutasten. Wir sind stets bereit, und haben 
auch England Beweise davon gegeben, fremdes Recht und fremde Inter- 
essen zu achten; wir sind gern bereit, auf Grundlage dieser Achtung mit 
allen Nationen in festen Beziehungen zu stehen; allerdings setzen wir vor- 
aus, daß diese Achtung gegründet ist voll und ganz auf unbedingte Gegen- 
seitigkeit (Sehr gut!), und daß die Empfindlichkeit des einen Teils, sie 
mag noch so berechtigt sein, Hand in Hand geht mit der sorgfältigen Rück- 
sicht auf die gleiche Empfindlichkeit des andern. (Lebhaftes Bravol) Die 
öffentliche Meinung in England pflegt das, was sie bewegt, mit großem 
Freimut zum Ausdruck zu bringen, ohne allzu ängstlich darüber zu grübeln, 
was das im Auslande für eine Wirkung übt. Das ist ihr Recht; wir 
wollen es nicht verwehren. Aber dann sei man auch nicht allzu empfind- 
lich, wenn wir einmal das Gleiche thun, und man unterstelle uns nicht 
Absichten, die uns vollkommen fremd sind, wenn wir in dieser Frage, die 
unsere Interessen berührte und die öffentliche Meinung aufs tiefste be- 
wegte, — wenn wir dann auch mit dem gleichen Freimute sagen, was wir 
denken und was wir fühlen (Lebhafter Beifall), und die Freiheit bean- 
spruchen wir auch für uns, daß wir offenkundiges Unrecht, welches unser 
Interesse bedroht, als solches bezeichnen, und daß wir unserer Genugthuung 
darüber, daß das Unrecht unterlegen und Recht doch Recht geblieben ist, 
in der Form Ausdruck geben, wie es dem Empfinden der ganzen Nation 
entspricht. (Wiederholter lebhafter Beifall auf allen Seiten des Hauses.) 
Die Abgg. Lieber (Z.), v. Manteuffel (kons.) und v. Kar- 
dorff (RP.) sprechen der Regierung ihr Vertrauen aus. Abg. Richter 
(frs. Vp.): Er sei mit dem Programm der Regierung einverstanden, wünsche 
aber nicht eine Hinneigung Deutschlands zur Weltpolitik und eine Ver- 
größerung der Flotte, die von gewissen Kreisen jetzt angestrebt werde. Abg. 
Bebel (Soz.): Er habe kein Vertrauen zur auswärtigen Politik der Regie- 
gierung, erkenne aber ihre Haltung in der Transvaalfrage als korrekt an. 
Fehlerhaft und völkerrechtswidrig sei das Telegramm des Kaisers an Krüger
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.