90 Has Beutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 1.)
testieren die freisinnigen und antisemitischen und einige andere Blätter wie
„Hamb. Nachr.“ und „Berl. N. Nachr.“ gegen die Verabschiedung in
dieser Session, da eine solche „Durchpeitschung“ eine eingehende Behand-
lung unmöglich mache. Auch in Zentrumsorganen werden einige Stimmen
in diesem Sinne laut, z. B. im „Westfälischen Merkur“ und in der
„Reichsztg.“. Gegen diese Proteste wenden sich die meisten konservativen,
mittelparteilichen und Zentrumsblätter, so die „Nordd. Allgem. Ztg.“,
das „Dresdener Journal“, „Post“, „Köln. Ztg."“, „Germania",
„Köln. Volksztg."“, „Schwäb. Merkur“.
Die Beratungen der einzelnen Kapitel werden von der Presse stets
mit Kommentaren begleitet, insbesondere die Verhandlungen über Geistes-
krankheit als Scheidungsgrund. Den ersten (ablehnenden) Beschluß hierüber
greifen u. a. heftig an die „Staatsbürger-Ztg.“, „Vossische Ztg.“,
„Nordd. Allgem. Ztg.“, „Nat.-Ztg.“, „Börsen-Ztg.“, „Tägliche
Rundschau“", während die klerikale Presse ihn lebhaft verteidigt. Der
Beschluß über den Hasenschaden ruft ebenfalls heftige Preßfehden hervor;
insbesondere wird das Zentrum wegen seiner Haltung von liberalen
Blättern heftig angefeindet. Die „Schlesische Volkszeitung“" antwortet
hierauf: „Das Zentrum will das Bürgerliche Gesetzbuch zu stande bringen,
weil es die Vollendung des Werkes im nationalen Interesse für geboten
und verschiedene Teile des Gesetzbuchs für wertvolle Verbesserungen des be-
stehenden Zustandes hält. Es hat zu diesem Zwecke mit den National-
liberalen ein Abkommen getroffen. Wäre die Linke des Reichstages diesem
Abkommen beigetreten, so hätte man den Konservativen überall die Spitze
bieten können. Aber da die Linke sich negativ verhält, so müssen die
Freunde des Werkes den konservativen Forderungen möglichst Rechnung
tragen.“
Die Fertigstellung des Bürgerlichen Gesetzbuches wird von den mittel-
parteilichen Blättern mit großer Genugthuung begrüßt, der nationale Ge-
danke habe einen Sieg gefeiert wie noch nie seit der Gründung des Reiches.
So die „Magdeburger Zeitung", „Hannov. Kurier", „Köln.
Zeitung", „Allgem. Zeitung". Reservierter ist die freisinnige und
konservative Presse, so schreibt die „Bossische Zeitung": „Vieles, sehr
Vieles ist der Besserung bedürftig. Aber sehen wir auf den bisherigen
Weg zurück und überlegen wir uns unbefangen, wie wir von den möglichen
Uebeln das kleinste wählen, so sagen wir doch, daß das kleinere Uebel
darin besteht, das Werk mit allen seinen Mängeln anzunehmen, als so
große Anstrengungen im Sande verlaufen zu lassen.“
„Kreuz-Zeitung": „Das Eine jedoch scheint uns schon heute fest-
zustehen, daß die Annahme der Vorlage, wie sie ist, nichts Abschließendes
darstellt, daß damit vielmehr nur die äußere Grundlage gegeben ist für
eine fortschreitende innere Neu= und Umgestaltung des nunmehr geeinten
deutschen bürgerlichen Rechtes, ein Vorgang mithin, der sich aller Wahr-
scheinlichkeit nach bis tief in das kommende Jahrhundert hinein erstrecken
und wohl überhaupt nie ganz zum Stillstand gelangen wird."“
„Deutsche Tageszeitung;; „weil eine übereilte An-
nahme des Bürgerlichen Gesetzbuches die wünschenswerte und im Interesse
des Rechtes erforderliche Durchberatung gar vieler Einzelbestimmungen un-
möglich gemacht hat, so wird eine der wichtigsten großen Aufgaben des
Reichstags eine baldige Revision des Bürgerlichen Gesetzbuchs werden."“
Die klerikale Presse hebt den Anteil des Zentrums an dem Zustande-
kommen hervor.
„Köln. Volksztg."“: „Unter den Abgeordneten hat wohl Niemand
so intensiv und unermüdlich gearbeitet, wie die Kommissionsmitglieder aus