138 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 4.)
der Sozialdemokratie in die Beamtenschaft. Der Erlaß soll sämt-
lichen neu eintretenden Beamten offiziell bekannt gegeben werden.
4. Juli. (Leipzig.) Bei der Feier der amerikanischen Un-
abhängigkeitserklärung durch die in Leipzig lebenden Amerikaner
sagt der amerikanische Botschafter White über die Beziehungen
zwischen Deutschland und Amerika:
Hier, in der alten und geehrten Universitätsstadt, mag ich eines
anderen Bandes gedenken, das die wirklichen Führer Deutschlands an-
zuerkennen nicht verfehlen können. Während wir in Großbritannien
das Mutterland der großen Mehrheit unseres Volkes anerkennen und
während im Laufe des gegenwärtigen Kampfes, wie nie zuvor in unserer
Geschichte, Großbritannien und die Vereinigten Staaten sich genähert haben,
könnten wir wohl in Deutschland ein zweites „Mutterland“ erkennen, ein
solches, mit dem unser eigenes Land stets in der wärmsten Allianz bleiben
sollte, denn von den Universitäten und den hohen Lehrinstituten Deutsch-
lands sind zu uns viel mehr als von irgend einem anderen Lande gekommen
und kommen noch Einflüsse, nach denen der höhere Unterricht in den Ver-
einigten Staaten gebildet worden ist und gebildet wird. In fast jedem
Kollege oder Universität von einiger Bedeutung in den Vereinigten Staaten
sind die leitenden Personen Studenten in Deutschland gewesen und sie haben
feste und dauerhafte Bande mit den Lehrkörpern dieser großen deutschen
Lehr-Institute geknüpft. Jedem deutschen Professor, der nach den Ver-
einigten Staaten geht, wird überall ein herzlicher Willkomm von seinen
alten Studenten zu teil. Deutsche Litteratur, in der That deutsche Ge-
dankenarbeit auf allen Gebieten, ist ein starkes, intellektuelles, moralisches
und geistiges Band zwischen beiden Ländern geworden. Ich glaube nicht,
daß diese verschiedenen Kräfte, welche Deutschland und die Vereinigten
Staaten verbinden, leicht zerrissen werden können. Die Versicherungen,
welche von der deutschen Regierung unserem eigenen Lande gegeben worden
sind, verbieten uns, auch nur einen Augenblick daran zu denken, daß es
von seiten Deutschlands etwas anderes, als eine gerechte, loyale und offene
Behandlung unserer Nation geben wird, und in dieser deutschen Politik
der Billigkeit (fairness) und Gerechtigkeit gegenüber unserem Lande erkenne
ich die beste Garantie für jene legitime, territoriale und kommerzielle Aus-
dehnung, die Deutschland so eifrig und mit Recht wünscht, und für die
Fortdauer und Vermehrung der guten Gesinnung, die so wichtig für beide
Länder ist.
4. Juli. (Preußen.) In Posen wird ein internationaler
slavischer Ärztekongreß geplant. Da hierbei antideutsche Demon-
strationen befürchtet werden, verbietet die Regierung die Teilnahme
von slavischen Ärzten aus Rußland und Österreich-Ungarn.
Juli. (Preußen.) Aufruf zur Gründung einer Kaiser-
Wilhelm-Bibliothek in Posen. Äußerung Bismarcks.
Etwa 300 hervorragende Männer erlassen einen Aufruf zur Grün-
dung einer großen Landesbibliothek in Posen, die den Namen Kaiser-
Wilhelm-Bibliothek führen und ein Angelpunkt des geistigen deutschen
Lebens im Osten werden soll. Fürst Bismarck schreibt über das Unter-
nehmen an einen der Unterzeichner, Prof. Kahl: