Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 31. Anf. Aug.) 147 
ßischen zu betreiben, wie es der Fall sein würde, wenn der Reichskanzler 
der preußischen Politik ebenso unbeteiligt gegenüberstände wie der baye- 
rischen oder sächsischen und von der Herstellung des preußischen Votums 
im Bundesrate dem Reichstage gegenüber keinen Teil hätte, so würde ich 
doch nach den jüngsten Entscheidungen Eurer Majestät über die Richtung 
unserer auswärtigen Politik, wie sie in dem Allerhöchsten Handschreiben 
zusammengefaßt sind, mit dem Euere Majestät die Berichte des Konsuls 
in .   .   . gestern begleiteten in der Unmöglichkeit sein, die Ausführung der 
darin vorgeschriebenen Anordnungen bezüglich der auswärtigen Politik zu 
übernehmen. Ich würde damit alle für das Deutsche Reich wichtigen Er- 
folge in Frage stellen, welche unsere auswärtige Politik seit Jahrzehnten 
im Sinne der beiden hochseligen Vorgänger Euerer Majestät in unseren 
Beziehungen zu .   .   . unter ungünstigen Verhältnissen erlangt hat, und 
deren über Erwarten große Bedeutung mir nach seiner Rückkehr aus 
P. bestätigt hat. 
Es ist mir bei meiner Anhänglichkeit an den Dienst des Königlichen 
Hauses und an Euere Majestät und bei der langjährigen Einlebung in 
Verhältnisse, welche ich bisher für dauernd gehalten hatte, sehr schmerzlich, 
aus der gewohnten Beziehung zu Allerhöchstdenselben und zu der Gesamt- 
politik des Reichs und Preußens auszuscheiden, aber nach gewissenhafter 
Erwägung der Allerhöchsten Intentionen, zu deren Ausführung ich bereit 
sein müßte, wenn ich im Dienst bliebe, kann ich nicht anders, als Euere 
Moajestät allerunterthänigst bitten, mich aus dem Amte des Reichskanzlers, 
des Ministerpräsidenten und des Preußischen Ministers der auswärtigen 
Angelegenheiten in Gnade und mit der gesetzlichen Pension entlassen zu 
wollen. Nach meinen Eindrücken in den letzten Wochen und nach den Er- 
öffnungen, die ich gestern den Mitteilungen aus Euerer Majestät Zivil- 
und Militärkabinett entnommen habe, darf ich in Ehrfurcht annehmen, daß 
ich mit diesem meinem Entlassungsgesuch den Wünschen Eurer Majestät 
entgegenkomme und also auf eine huldreiche Bewilligung mit Sicherheit 
rechnen darf. Ich würde die Bitte um Entlassung aus meinen Aemtern 
schon vor Jahr und Tag Euerer Majestät unterbreitet haben, wenn ich 
nicht den Eindruck gehabt hätte, daß es Euerer Majestät erwünscht wäre, 
die Erfahrungen und die Fähigkeiten eines treuen Dieners Ihrer Vorfahren 
zu benutzen. Nachdem ich sicher bin, daß Euere Majestät derselben nicht 
bedürfen, darf ich aus dem politischen Leben zurücktreten, ohne zu befürchten, 
daß mein Entschluß von der öffentlichen Meinung als unzeitig verurteilt 
wird. gez. von Bismarck. 
Nach den „Berliner Neuesten Nachrichten“ ist die von Busch hier 
nicht genannte auswärtige Macht Rußland, und der Konsul der Konsul 
in Kiew. 
31. Juli. Anf. August. (Friedrichsruh.) Aus dem In- 
und Auslande treffen Trauerkundgebungen und Kränze ein von 
Fürstlichkeiten, Behörden, Korporationen u. s. w. Im Namen des 
Bundesrats überbringt der Reichskanzler, im Namen des Reichs- 
tags die Abgg. Spahn und Bachem einen Kranz. 
31. Juli. Anf. August. Alle Blätter bringen Artikel über 
den Fürsten Bismarck. Sehr viele erscheinen mit Trauerrand. 
Die Blätter aller bürgerlichen Parteien betonen, daß in Bismarck 
der größte Staatsmann des Jahrhunderts verstorben ist, wenn auch viele 
ihren Gegensatz zu seiner inneren Politik hervorheben. So schreibt das 
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