Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Aug. 31.—Sept. 2.) 155
drei Weltteilen abspielen kann, die staunende Welt der bürgerlichen Zei-
tungsschreiber mit der Einladung zu einem internationalen Kongreß, der
den ewigen Frieden und die Einstellung der Rüstungen herbeiführen soll.
Es ist ein schlauer Streich der russischen Diplomatie, der vorläufig schon
den Erfolg für sich hat, die öffentliche Meinung zu verwirren.
Die „Tägliche Rundschau“ führt aus, Rußland habe allein Vorteil
von einer internationalen Abrüstung, da es bei der großen Notlage seiner
landwirtschaftlichen Bevölkerung dringend einer Verminderung des Militär-
budgets bedürfe. Nach den „Preuß. Jahrbüchern“ bedeutet der Vorschlag
einen Schachzug gegen England, das auf eine Abrüstungskonferenz nicht
eingehen könne und sich somit in Gegensatz zu sämtlichen Kontinental-
mächten stellen müsse.
31. August. (Preußen.) Staatszuschüsse zu den Schul-
lasten der Gemeinden.
Der „Reichs-Anzeiger“ veröffentlicht eine Königliche Verordnung,
betreffend die Gewährung von Staatszuschüssen an diejenigen politischen
Gemeinden und Schulverbände, welche nach den Bestimmungen des Gesetzes
über das Diensteinkommen der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen
Volksschulen vom 3. März 1897 einen Ausfall an Staatsbeiträgen erleiden.
Durch diese Verordnung werden die in dem genannten Gesetze vorgesehenen
festen Staatszuschüsse auf 76 größere Gemeinden in allen Provinzen ver-
teilt. Den größten Betrag erhält der Verband der Berliner Gemeinde-
schulen mit 406000 Mark.
1. September. Der Kaiser verleiht das in Wandsbeck stehende
15. Husarenregiment der Königin von Holland.
September. Oktober. Gerücht über ein deutsch-englisches
Bündnis (vgl. England).
Die Behauptungen der englischen Blätter über Abmachungen zwischen
Deutschland und England werden viel besprochen. Ein großer Teil der
Presse nimmt die Annäherung an England mit Mißtrauen auf und pole-
misiert lebhaft gegen die Mitteilungen der englischen Zeitungen, insbesondere
— die Preisgabe Transvaals. Die „Kölnische Zeitung“ erklärt sie für
unrichtig.
Die Kolonialgesellschaft richtet eine Eingabe an den Reichskanzler,
die Abmachungen ganz oder teilweise zu veröffentlichen, da die Nachrichten
darüber Beunruhigung erzeugt haben. (3. Okt.) Der Reichskanzler ant-
wortet (16. Okt.): Diesem Gesuche zu willfahren bin ich nicht in der Lage,
da sowohl feststehende diplomatische Gepflogenheiten wie auch wichtige poli-
tische Rücksichten dem für jetzt noch entgegenstehen. Die kaiserliche Regie-
rung wird mit der Veröffentlichung nicht zögern, sobald ihr eine solche
ohne internationale Bedenken wie ohne Gefährdung der eigenen Interessen
Deutschlands möglich und angemessen erscheint.
2. September. Das Kaiserpaar reist zu den Kaisermanövern
nach Hannover. Auf die Begrüßung des Bürgermeisters erwidert
der Kaiser:
Die Worte, welche Sie soeben gesprochen, sind der Kaiserin und
Mir zu Herzen gegangen. Ich glaube, ohne Uebertreibung sagen zu können,
daß Ich ein guter Richter sein kann über die Empfänge in den Städten,
die Ich zur Zeit des Lebens Meines Großvaters und Vaters und auch seit