164 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (September.)
Gefahren heißt es: Wir sind diesen Gefahren stets entschlossen entgegen-
getreten und werden es auch in Zukunft thun. In der dem Landtag vor-
gelegten Vereinsgesetznovelle vermochten wir aber ein geeignetes Mittel zur
Bekämpfung dieser Gefahren nicht zu erblicken. Die Vorlage wandte sich
in ihrer Wirkung zugleich gegen alle der jeweilig herrschenden Richtung
unbequemen bürgerlichen Parteien und hätte diese in der freien Entfaltung
ihrer Kräfte gegen die sozialdemokratischen Bestrebungen gelähmt, nicht aber
die agitatorische Kraft des Gegners. — Der Schluß lautet: Im Reichstag
will das Zentrum die „regierende Partei" sein. Von dort aus bedrückt es
die Gesetzgebung wie die Landesverwaltung in Preußen. Und im Ab-
geordnetenhause selbst haben die Konservativen schon jetzt beinahe die
Mehrheit. Rückläufigen Bestrebungen ist Thür und Thor geöffnet! Um
dieser Gefährdung einer ruhigen inneren Entwicklung vorzubeugen, fordern
wir unsere Freunde im Lande auf, entschlossenen Sinnes und voll Zu-
versicht in den Wahlkampf einzutreten und treue Anhänger der national-
liberalen Partei zu wählen.
Der Wahlaufruf des Zentrums enthält die alten Forderungen
über die noch versagte Parität und die freie Thätigkeit der Orden. Ueber
die Volksschule wird gesagt: Die volle Gleichberechtigung des katholischen
Volksteils, die Wahrung des konfessionellen Charakters der Volksschule und
der natürlichen Rechte der Eltern auf dieselbe, die Leitung des religiösen
Unterrichts durch die kirchlichen Organe, die Sicherung einer christlichen
Erziehung in der Volksschule, welche wir um so notwendiger erachten
müssen, je mehr wir erkennen, daß gegenüber der sich immer mehr ent-
wickelnden Richtung auf Zügellosigkeit und Ungebundenheit nur ein christ-
lich erzogenes, gottesfürchtiges Volk Widerstand zu leisten im stande ist —
die freie und ungehemmte Thätigkeit unserer Ordensgenossenschaften unter
Beseitigung aller engherzigen, bureaukratischen Maßregeln, welche die seel-
sorgerliche Arbeit, die christliche Wohlthätigkeit und die Selbstaufopferung
im Dienste Gottes und des Nächsten, in ihrer segensreichen, unbedingt
notwendigen Entwicklung hemmen — das sind alles Ziele, von welchen
wir zum Teil noch sehr weit entfernt sind, welche aber zu erringen stets
die erhabenste und vornehmste Aufgabe unserer Partei gewesen ist und
sein wird.
Die Polen sagen in ihrem Aufruf: Als Abgeordnete können nur
solche Männer gebraucht werden, die im stande sind, für die verbrieften
Rechte der Polen voll und ganz einzutreten, ferner solche, die gegen die den
Polen fast täglich zugefügten Ungerechtigkeiten einzutreten und gegen die
eventuell gegen die Polen sich richtenden Ausnahmegesetze Protest einzulegen
wissen; überdies müssen die Kandidaten befähigt sein, sich an allen parla-
mentarischen Arbeiten zu beteiligen. Die einzelnen Wahlkomitees werden
vor allem darauf aufmerksam gemacht, daß bei der Neuwahl des Komitees
darauf zu sehen ist, daß die neuen Komitees aus Repräsentanten aller Be-
völkerungsschichten zusammengesetzt werden, so daß ein jedes Komitee sozu-
sagen ein Vertreter der gesamten polnischen Bevölkerung ist.
Der konservative Aufruf sagt über die Schule: Durch den christ-
lichen Charakter unseres Staates wird bedingt, daß den christlichen Kirchen
eine freie, den allgemeinen Interessen des Staates gegenüber richtig be-
messene Stellung erhalten, insbesondere der berechtigte Einfluß auf die Er-
ziehung des Volkes gewahrt werde. Wenn also die in vielen Landesteilen
mangelhaften und eine unbillige Lastenverteilung bewirkenden Bestimmungen
über die Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen dringend eine organische
Reform erheischen, so wird dabei neben der Wahrung der natürlichen Rechte
der Eltern und der Gemeinden unbedingt der konfessionelle Charakter der