226 Die Oesterreithish-Angarische Monarthie. (September 16. 17.)
Abteilungen werden sämtliche deutsch-nationale Kandidaten gewählt
(am 27. September und 5. Oktober).
16. September. (Schönbrunn.) Der Kaiser richtet fol-
gendes Handschreiben an den Ministerpräsidenten Graf Thun:
An meine Völker!
„Die schwerste und grausamste Prüfung hat Mich und Mein Haus
heimgesucht. Meine Frau, die Zierde Meines Thrones, die treue Gefährtin,
die Mir in den schwersten Stunden Meines Lebens Trost und Stütze war,
an der Ich mehr verloren habe, als Ich auszusprechen vermag, ist nicht
mehr. Ein entsetzliches Verhängnis hat sie Mir und Meinen Völkern ent-
rissen, eine Mörderhand, das Werkzeug des wahnsinnigsten Fanatismus,
der die Vernichtung der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung sich zum
Ziele setzt, die sich wider die edelste der Frauen erhoben und in blindem
ziellosem Hasse das Herz getroffen, das keinen Haß gekannt und nur für
das Gute geschlagen hat. Mitten in dem grenzenlosen Schmerze, der Mich
und Mein Haus erfaßt hat, angesichts der unerhörten That, welche die
ganze gesittete Welt in Schauder versetzt, dringt zunächst die Stimme
Meiner geliebten Völker lindernd zu Meinem Herzen. Indem Ich Mich
der göttlichen Fügung, die so Schweres und Unfaßbares über Mich verhängt
hat, in Demut beuge, muß Ich der Vorsehung Dank sagen für das hohe Gut,
das Mir geblieben ist: Für die Liebe und Treue der Millionen, die in der
Stunde des Leidens Mich und die Meinen umgiebt. In taufend Zeichen von nah
und fern, von hoch und niedrig, hat sich der Schmerz und die Trauer um die
gottselige Kaiserin und Königin geäußert. In rührendem Zusammenklang
ertönt die Klage aller über den unermeßlichen Verlust, als getreuer Wider-
hall alles dessen, was Meine Seele bewegt. Wie ich das Gedächtnis Meiner
heißgeliebten Gemahlin heilig halte bis zur letzten Stunde, so bleibt ihr
in der Dankbarkeit und Verehrung Meiner Völker ein unvergängliches
Denkmal für alle Zeiten errichtet. Aus den Tiefen Meines bekümmerten
Herzens danke Ich allen für das neue Pfand hingebungsvoller Teilnahme.
Wenn die Festklänge, welche dieses Jahr begleiten sollten, verstummen
müssen, so bleibt Mir die Erinnerung an die zahllosen Beweise von An-
hänglichkeit und warmem Mitgefühl die wertvollste Gabe, die Mir darge-
bracht werden konnte; die Gemeinsamkeit unseres Schmerzes schlingt ein
neues einiges Band um Thron und Vaterland. Aus der unwandelbaren
Liebe Meiner Völker schöpfe Ich nicht nur das verstärkte Gefühl der Pflicht,
auszuharren in der Mir gewordenen Sendung, sondern auch die Hoffnung
des Gelingens. Ich bete zu dem Allmächtigen, der Mich so schwer heim-
gesucht hat, daß er Mir noch die Kraft gebe, zu erfüllen, wozu Ich berufen
bin. Ich bete, daß er Meine Völker segne und erleuchte, den Weg der Liebe
und Eintracht zu finden, auf dem sie gedeihen und glücklich werden mögen.
Schönbrunn, 16. September 1898.
Franz Josef (m. p.)"
Zum Andenken an die Kaiserin stiftet der Kaiser den „Eli-
sabeth-Orden“, der nur an Frauen verliehen werden soll.
17. September. (Wien.) Feierliche Beisetzung der Kaiserin
Elisabeth. An der Feier nehmen teil der Deutsche Kaiser, der
Prinz-Regent von Bayern, der König von Numänien, der Kron-
prinz von Italien, der König von Sachsen und viele andere Fürst-
lichkeiten.