Bie Gesterreichisz-Anseriseze Monarchie. (Dezember 6.) 233
heranzuziehen. In dem sehr reich dotierten Investitionsbudget betragen
die Ausgaben 31093094 fl., die Einnahmen 1433 910 fl., es verbleibt so-
mit ein Erfordernis von 29659 184 fl., zu dessen Deckung eine 3prozentige
Investitionsrente begeben werden kann; der Finanzminister wird jedoch
ermächtigt, anstatt der Investitionsrente Obligationen der 1892 geschaffenen
4prozentigen Kronenrente auszugeben.
Hierauf beantragt Abg. Groß, über die Antwort des Minister-
präsidenten Grafen Thun auf die Interpellation des Abgeordneten Jaworski,
betreffend die Ausweisung österreichischer Staatsangehöriger aus Preußen,
die Debatte zu eröffnen, da dieselbe Aufsehen erregt habe, und man über
sie nicht stillschweigend hinweggehen dürfe. In der Begründung führte
Abgeordneter Groß aus, seine Partei sei weit entfernt, die Ausweisung
österreichischer Staatsangehöriger aus Preußen gut zu heißen, wenn auch
durch diese Ausweisungen Angehörige flavischer Nationalität betroffen
würden. Der Zusatz, welchen der Ministerpräsident zu der Interpellations-
beantwortung gemacht habe, könnte in gewissem Sinne als Drohung auf-
gefaßt werden. Redner glaubt nicht, daß der Ministerpräsident sich über
die Tragweite seiner Worte im klaren war. Man habe es hier nur mit
einer politischen Taktlofigkeit zu thun. Redner ist fest überzeugt, daß die
gemeinsame Regierung ihre Zustimmung zu den Worten des Minister-
präsidenten nicht gegeben habe, denn bei verbündeten Staatsregierungen
könne man von Repressalien nicht sprechen; doch glaube Redner nicht, daß
die Worte des Ministerpräsidenten das deutsch-österreichische Bündnis ge-
fährden können; denn die Tripelallianz bewähre sich als Bedürfnis für den
Weltfrieden. Auch der größte Teil der Majorität des Hauses halte sicher
an diesem Bündnis fest. (Beifall links.) Der Antrag Groß wird mit 166
gegen 124 Stimmen abgelehnt.
Die Presse diskutiert diese Angelegenheit weiter; die deutschen Blätter
führen aus, Thuns Haltung müsse dem Dreibund schädlich sein.
6. Dezember. (Pest.) Krifis in der liberalen Partei. Rück-
tritt Szilagyis.
In der Konferenz der liberalen Partei reicht Koloman Tisza einen
Gesetzentwurf ein, welcher im Hinblick auf die fortdauernde Obstruktion
der Oppofition, die eine Votierung der Indemnitätsvorlage verhindere, die
Regierung ermächtigt, für den Fall, daß die genannte Vorlage nicht Gesetzes-
kraft erlangen könne, die finanziellen Geschäfte im Rahmen des Budgets
auch nach Neujahr fortzuführen, sowie Steuern zu erheben und Ausgaben
zu leisten. Ferner soll die Regierung ermächtigt werden, für den Fall, daß
der Ausgleich nicht zu stande kommen sollte, den status quo der wirtschaft-
lichen Beziehungen mit Oesterreich aufrecht zu erhalten. Ministerpräsident
Baron Banffy erklärt, er würde diese Gesetzesvorlage gegebenenfalls an-
nehmen, doch wolle er noch immer nicht die Hoffnung aufgeben, daß die
Obstruktion davor zurückschrecken werde, einen konstitutionellen Notstand
herbeizuführen. Es sei ein Irrtum, wenn die Oppofition annehme, daß
mit seinem Rücktritt Ordnung eintreten werde; allerdings werde die In-
demnität sofort votiert werden, aber die Minorität würde im Bewußtsein
des Erfolges ihres obstruktionistischen Vorgehens alle Vierteljahr ein Kabinett
stürzen und das Land von einer Krise in die andere jagen. Mehrere
Redner hoben hervor, daß die in der Vorlage enthaltene Ermächtigung der
Regierung allerdings eine formelle Verletzung des Verfassungsrechtes in sich
schließe, jedoch sei das Wesen und der Geist der Verfassung intakt. Die
Gesetzesvorlage wird einstimmig angenommen.
Infolge dieses Beschlusses legt der Präsident des Abgeordnetenhauses,