Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

258 Greßbritannien. (April 28. Mai 13.) 
Ansicht nach liege kein Grund vor, anzunehmen, daß der Krieg die Ein— 
nahmen oder Ausgaben Englands in größerem Maße schädlich beein- 
flussen werde. 
28. April. (Unterhaus.) Balfour über das Verhältnis 
zu Deutschland. — Ost-Asien. Wei-Hai-Wei und Schantung. 
Abg. Provand fragt die Regierung, ob sie spontan der deutschen 
Regierung angezeigt habe, daß es nicht in der Absicht Euglands liege, 
deutsche Rechte und Interessen in Shantung in Frage zu stellen, auch nicht 
eine Eisenbahnverbindung von Weihaiwei und dem dazu gehörigen Gebiete 
nach dem Innern herzustellen. Balfour erwidert, eine solche Erklärung 
sei von ihm angeregt worden, um ein Mißfverständnis zu verhindern. Sie 
enthalte die genaue Wahrheit, nämlich, daß die Besetzung von Weihaiwei, 
obwohl es auf der Halbinsel Shantung liege, nicht gegen die deutschen 
Rechte in dieser Provinz gerichtet sei. Wie dem Hause bekannt sei, sei die 
Besetzung aus strategischen und politischen, nicht aus kommerziellen Gründen 
erfolgt. Sie habe nichts mit Deutschland oder deutschen Interessen zu 
schaffen und es erscheine recht, dies zu sagen. Die Erklärung erkenne 
weder Rechte an, die nicht bestehen, noch füge sie irgend etwas zum Werte 
der bestehenden hinzu. Die Mitteilung an Deutschland sei spontan aus 
der Initiative der britischen Regierung hervorgegangen. Der Bau einer 
Eisenbahn nach Weihaiwei sei unausführbar. 
13. Mai. (Birmingham.) Chamberlain über die aus- 
wärtige Lage und ein englisch-amerikanisches Bündnis. Kriegs- 
gefahr. 
In einer öffentlichen Rede führt der Staatssekretär für die Kolonien, 
J. Chamberlain, aus: Die auswärtige Lage sei ernst und kritisch, die 
Zeit könne bald kommen, in der es nötig sein würde, die Vaterlandsliebe 
des Volkes anzurufen; er hoffe, daß diese Zeit die Nation geeinigt für die 
Verteidigung ihrer Interessen finden werde. Großbritannien stehe allein, daher 
sei es Pflicht des ganzen Reiches, sich enger zusammen zu schließen, und 
die nächste Pflicht sei, sich eng an die amerikanischen Vettern anzu- 
schließen. Jeder Krieg würde billig erkauft sein, wenn er schließlich zu 
dem Bündnis der Angelsachsen führe. Was Port Arthur und Talienwan 
augehe, so thue er vielleicht besser, nichts von den Versprechungen zu sagen, 
welche Rußland gegeben und 14 Tage später gebrochen habe. Die allge- 
meine Lage in China sei durchaus nicht befriedigend. „Wir haben“, fuhr 
Chamberlain fort, „künftig mit Rußland in China sowohl als in Asghani- 
stan zu rechnen, abgesehen davon, daß wir kein Heer oder keine Verteidig- 
ungsgrenze in China haben. Es war unmöglich, mit Rußland zu einer 
Verständigung zu gelangen, da wir nichts zu bieten hatten, um es von 
seinen Plänen abzubringen. Aber selbst wenn eine Verständigung erreicht 
worden wäre, wer würde verbürgen, daß sie eingehalten worden wäre? 
Großbritannien hätte Rußland den Krieg erklären können, doch können 
wir ohne einen Verbündeten Rußland nicht ernstlich Schaden thun. Es 
handelt sich nicht um einen einzelnen chinesischen Hafen, sondern um das 
Schicksal von ganz China, wo unsere Interessen so unendlich groß find, daß 
nie eine größere Lebensfrage zur Entscheidung der britischen Regierung und 
der Nation gestanden hat. Wenn das Schicksal des chinesischen Reiches nicht 
ohne England entschieden werden soll, dann dürfen wir nicht den Gedanken 
eines Bündnisses mit jenen Mächten zurückweisen, deren Interessen mit 
den unfrigen gleichartig sind.
	        
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