Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

Das   Deutsche   Reich   und   seine   einzelnen   Glieder.     (Januar 21.) 19 
deutschen Katholiken durch deutsch denkende katholische Geistliche stattfinden 
zu lassen. Finden wir geeignete deutsche Geistliche, so wird auch bei der 
Ansiedlung die Parität gewahrt werden können. 
Abg. Munckel (frs. Vg.): Das Gesetz sei ungerecht und wertlos. 
Mit den ersten 100 Millionen habe man nur 10,000 Seelen angesiedelt. 
Den Zug vom Osten nach dem Westen werde man damit nicht aufhalten. 
Finanzmin. Dr. v. Miquel: Die Erfolge des Gesetzes seien größer als 
der Vorredner glaube, und würden in den nächsten Jahren noch steigen, 
da man viele Erfahrungen gemacht habe. Meine Herren wir denken gar 
nicht daran, allein durch dieses Gesetz schnell einen großen Umschwung her- 
beizuführen, gewiß nicht von heute auf morgen. Wir wissen, daß es dazu 
auch noch einer Reihe anderer Mittel bedarf, und die Staatsregierung ist 
dazu entschlossen. Wenn es nach mir geht — und ich glaube in dieser 
Beziehung in voller Uebereinstimmung mit dem Staatsministerium zu sein 
— so werden das weniger Repressivmittel sein, so lange wir nicht gerade 
dazu gezwungen werden, sondern kulturelle Mittel. Wir wollen auch andere 
Fonds benutzen, namentlich die Fonds, welche wir als Dispositionsfonds 
für die Oberpräsidenten bezeichnet haben, zur Gründung von Volksbiblio- 
theken, zur Unterstützung von Bildungsbestrebungen deutscher Vereine, zur 
Unterstützung von Gewerbetreibenden, Aerzten, Apothekern u. s. w., die 
unter dem polnischen Boykott leiden (Bravo!). Wir werden auf allen Ge- 
bieten nicht bloß nach der materiellen, sondern auch nach der kulturellen 
und ideellen Seite hin diese Provinzen zu heben versuchen. Wollen die 
Polen sich diesen Bestrebungen anschließen, beispielsweise die gewerblichen 
Fortbildungsschulen, die wir vermehren und stärken werden, in den Städten, 
gern besuchen und daran teilnehmen, so kann uns nichts mehr erwünscht 
sein, als gerade dieses. Meine Herren, in manchen Beziehungen, so lange 
die gegenwärtige Spannung besteht, ist es ja gewiß für einen preußischen 
Beamten polnischer Nationalität, wenn er seine Beamtenpflicht richtig er- 
füllen will, besser, er hat seine Station außerhalb der Provinz, als inner- 
halb. Unter dieser Voraussetzung kann es der preußischen Staatsregierung 
nur erwünscht sein, wenn die Polen in möglichst großer Zahl in den Civil- 
und Militärdienst eintreten; das wird eine wichtige Grundlage der Ver- 
schmelzung sein. Sie werden sich bald überzeugen, daß sie da ebenso be- 
fördert werden, wie die Deutschen (na, na! bei den Polen) — genau ebenso 
befördert werden, wie die Deutschen. Wenn beispielsweise ein Pole wünscht, 
an den Stipendien teilzunehmen, die für die Ausbildung von jungen Leuten 
aus diesen Provinzen gestiftet werden in der Absicht, in den preußischen 
Staatsdienst zu treten, würde es mir durchaus natürlich erscheinen, wenn 
die betreffenden Oberpräsidenten die Stipendien solchen jungen Leuten gerade 
so gut geben, wie den Deutschen. Sie sehen, meine Herren, wie wir diese 
Frage auffassen. 
Abg. Nadbyl (Z.): Wie kann das Zentrum Liebe haben zu einem 
Gesetz, durch das 2237 Protestanten und nur 171 Katholiken angesiedelt 
worden sind und unter dem neun evangelische und nur eine katholische 
Kirche gebaut worden ist! Das Gesetz richtet sich gegen den Katholizismus. 
Abg. Sattler (nl.): Die katholische Geistlichkeit biete in nationaler Hin- 
sicht nicht genügend Garantien, um Katholiken in großer Zahl anzusiedeln. 
Außer diesem Gesetze müsse der Staat dem durch die Polen bedrohten 
Deutschen durch nachdrückliche Förderung ihrer Kulturinteressen zu Hilfe 
kommen. — Die Vorlage wird an die Budgetkommission verwiesen. 
21. Januar. (Bayern.) Reichstagsersatzwahl. Bei der 
Ersatzwahl zum Reichstage im 5. Pfälzer Wahlkreise erhalten 
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