Frankreich. (Juli 9.—13.) 279
folgt ein Satz, den ich nicht verlesen kann), dann werde ich sagen, daß ich
niemals Beziehungen zu diesem Juden gehabt habe, das ist abgemacht.
Wenn man Sie fragt, sagen Sie auch so, denn niemand darf jemals
wissen, was mit ihm vorgegangen ist. (Bewegung.) Die Schuld des
Dreyfus ist auch noch durch ein anderes Schriftstück bestätigt, das ich nicht
vorlesen kann. Das ist jedoch nicht alles. Dreyfus hat auch Geständnisse
abgelegt. Hier ist ein Brief des Generals Gonse an Boisdeffre: „Ich
habe Hauptmann Lebrun-Renault zum Kriegsminister geführt, dem er
einen langen Monolog wiederholte, den Dreyfus gehalten hat und dessen
wichtigste Stellen lauten: „Im Grunde genommen hat man keine Original-
Dokumente ausgeliefert, sondern bloß Kopien. Der Minister weiß, daß ich
unschuldig bin. Er hat es mir durch Major du Paty de Clam sagen
lassen. Und wenn ich Dokumente ausgeliefert habe, so sind dies Dokumente
ohne Wichtigkeit gewesen und nur geliefert, um andere wichtigere dafür
zu erlangen.“" An demselben Tage schrieb Lebrun-Renault in sein Notiz-=
buch: Gestern Degradierung des Hauptmanns Dreyfus. Er sagte mir,
der Minister weiß, daß, wenn ich Dokumente ausgeliefert habe, diese wert-
los waren, und daß ich es nur that, um mir wichtigere zu verschaffen.
Cavaignac bemerkte dann weiter, er könne nicht annehmen, daß irgend
jemand diese Worte gesagt haben würde, wenn er nicht wirklich Dokumente
geliefert. (Beifall.) Auf die dritte Erklärung Lebrun-Renaults ging
Cavaignac nicht ein, weil sie erst späteren Datums ist. Redner schloß:
Durchdrungen von der Wahrheit der Sache, welche sie verteidigt, wird die
Regierung nicht zugeben, daß die nationalen Interessen, deren Hut ihr
anvertraut ist, verletzt werden. (Stürmischer Veifall, Rufe: Hoch Frank-
reich!) Die Regierung hofft, daß morgen alle Franzosen darin Einig sein
werden, zu erklären daß die Armee, die ihren Stolz und ihre Macht bildet,
nicht nur stark ist durch das Vertrauen des Landes, sondern auch durch die
Gerechtigkeit ihres Handelns. (Lauter Beifall.) Der Deputierte Mirman
beantragt dann den öffentlichen Anschlag der Rede Cavaignacs. Dieser
Antrag wird mit 572 gegen 2 Stimmen angenommen. („Tägl. R.“)
9. Juli. (Paris.) Verurteilung Zolas.
In dem Verleumdungsprozeß der Schreibsachverständigen gegen
Emile Zola und den Herausgeber der „Aurore“ wird Zola zu 2000 Fr.
Geldstrafe und 15 Tagen Gefängnis unter Anwendung des Gesetzes über
den Strafaufschub verurteilt. Ferner werden Zola und der Herausgeber
der „Aurore“ solidarisch zur Bekanntgabe des Urteils in zehn Zeitungen
und zur Zahlung von 5000 Fr. Schadenersatz an jeden der drei Schreib-
sachverständigen verurteilt.
9. Juli. (Paris.) Oberst Picquart, der frühere Chef des
Nachrichten-Bureaus im Kriegsministerium, veröffentlicht im „Temps“
ein Schreiben an den Ministerpräsidenten Brisson. Es heißt darin,
daß er in der Lage sei, vor jeder zuständigen Gerichtsbehörde fest-
zustellen, daß die beiden Schriftstücke, die das Datum von 1894
tragen, nicht auf Dreyfus anwendbar sind und daß das dritte
Schriftstück alle Merkmale der Fälschung an sich hat.
12. Juli. (Paris.) Major Esterhazy wird verhaftet, aber
am 12. August wieder freigelassen.
13. Juli. (Paris.) Oberst Picquart wird auf Grund des
Spionagegesetzes verhaftet.