Italien. (September 26.) 299
sich angesichts der gemeinsamen Gefahr solidarisch fühlen, die Notwendigkeit
zu ergeben, sich gegenseitig ständige Unterstützung zu gewähren auf der
Grundlage eines Systems der gemeinsamen Verteidigung, welches in allen
seinen Einzelheiten genau erwogen ist. Die Regierung Sr. Majestät hat
sich ihrerseits schon lange mit solchen Gedanken getragen und sich darin
mehr und mehr bestärkt gesehen. Angesichts der langen Reihe von
anarchistischen Verbrechen, die, wie namentlich die Ermordung des Prä-
sidenten Carnot und der zweimalige Mordversuch gegen unsern König, das
Entsetzen der ganzen Welt erregt haben, angesichts der schrecklichen Frevel-
that, die jetzt in Genf begangen wurde und die einen Maßstab dafür
bietet, wessen diese Elenden ohne Glauben und ohne Vaterland allein fähig
sind, hat die königliche Regierung beschlossen, die Initiative für einen vor-
läufigen Meinungsaustausch zu ergreifen, welcher auf den Abschluß inter-
nationaler Abmachungen in dem von mir angegebenen Sinne hinauslaufen
soll. Die Aufnahme, welche dieser Schritt bisher gefunden hat, ist eine
Bestätigung dafür, daß die Anschauung der königlichen Regierung im
Prinzip geteilt wird, und daß als das am meisten angezeigte Mittel zur
Erreichung dieses Zweckes der baldige Zusammentritt einer internationalen
Konferenz erscheint, auf welcher die europäischen Mächte nicht nur durch
diplomatische Bertreter, sondern auch durch technische Delegierte der be-
treffenden Verwaltungen der Justiz und des Innern vertreten sein würden,
ein modus procedendi, welcher durchaus den Ansichten der Regierung des
Königs entsprechen würde. Ich bitte Sie, das Vorstehende zur Kenntnis
des Ministers des Aeußeren derjenigen Regierung zu bringen, bei der Sie
akkreditiert sind, und ihm eine Abschrift dieser Depesche zu geben, indem
Sie ihm zugleich formell den Vorschlag unterbreiten, daß die betreffende
Regierung ihre Zustimmung zu dem Zusammentritt einer internationalen
Konferenz erteile, welche im Interesse der sozialen Verteidigung die Herbei-
führung einer wirksamen dauernden Entente zwischen den europäischen
Mächten bezwecken soll, welche dazu bestimmt ist, die Vereinigungen der
Anarchisten und ihrer Anhänger erfolgreich zu bekämpfen. Ich bitte Sie,
mir sobald als möglich die Entscheidung mitzuteilen, welche hinsichtlich
unseres Vorschlages getroffen werden wird. gez. Canevaro.
Mitte September. Infolge des Genfer Mordes werden viele
Anarchisten in Mailand, in der Emilia und in Toskana verhaftet.
Viele aufrührerische Schriften und Waffen werden beschlagnahmt.
26. September. Nach der „Italie“ hat die Regierung den
Abrüstungsvorschlag des Zaren folgendermaßen beantwortet:
Das Problem, welches der Kaiser dem Areopag der Mächte unter-
breitet, ist sicherlich nicht ohne Schwierigkeiten. Ganz abgesehen von der
Frage der Rüstungen, kann man sich noch mehr solcher Fragen vorstellen,
über welche die verschiedenen Auffassungen nicht genügend zusammenfallen
würden und die, zur Erörterung gestellt, im Schoße der vorgeschlagenen
Ronferenz selbst einen Meinungsstreit schärfer zum Ausdruck bringen
könnten, dessen mögliche Folgen uns nicht ohne beständige Sorge lassen
würden. Aber diese Schwierigkeiten haben in unseren Augen durchaus
nichts Unentwirrbares. Es genügt, daß ein Programm, einsichtsvoll ent-
worfen, klar abgefaßt, die Erörterungen auf dem Gebiete der Versöhnung
und wechselseitigen Beschwichtigung erhalte. Es gebührt natürlich der
kaiserlichen Kanzlei, dieses Programm zu formulieren. Wir haben schon
jetzt das volle Vertrauen, daß es ein solches sein wird, wie wir es
wünschen, und wir haben nicht nötig, es abzuwarten, um gegenüber dem