24 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 31.)
Resultat, abgeraten, einen solchen Schritt zu thun. Am weitesten und ent-
schiedensten in dieser Richtung gehen die Aeußerungen der Gouverneure
unserer tropischen Kolonien. Die Gründe, aus denen die Herren entschieden
von einem Eingehen auf ein derartiges Projekt abraten zu müssen glauben,
beruhen einmal in den klimatischen Verhältnissen. Sie erklären, daß es
unmöglich sein würde, Gefangene dort hinzubringen, ohne sie, zum teil
wenigstens, ernsten Lebensgefahren auszusetzen, für die übrigen aber die
Gefahr langwieriger Krankheiten heraufzubeschwören. Der Gouverneur von
Kamerun geht so weit, zu erklären, wenn man einen Versuch dieser Art
machen wollte, würde das Resultat in kurzer Zeit das sein, daß die ganze
Sträflingskolonie ein großes Krankenhaus bildete. (Hört! Hört! bei den
Sozialdemokraten.) Der zweite Grund, der die Gouverneure abhält, dem
Projekt näher zu treten, ist der, daß die Autorität der weißen Bevölkerung
entschieden leiden würde, wenn Weiße dorthin gebracht würden, um ange-
sichts der farbigen Bevölkerung ihre Strafen zu verbüßen. Die Autorität
des weißen Regiments beruht wesentlich darauf, daß die farbigen Elemente
der Bevölkerung gewohnt sind und hoffentlich gewohnt bleiben werden, in
den weißen Einwanderern ein überlegenes Kulturelement zu erblicken. Wenn
es dahin kommen sollte, das Weiße angesichts der einheimischen Rassen den
Strafen, und zwar, wie es dort nicht anders möglich ist, größtenteils im
Freien und öffentlich unterzogen werden, dann würde zweifellos die Autorität,
die gegenwärtig die weiße Bevölkerung genießt, schwerer Erschütterung aus-
gesetzt sein. Endlich, meine Herrren, machen die Gouverneure darauf auf-
merksam, daß, wo bisher von der Deportation als Strafmittel Gebrauch
gemacht worden ist, dies immer nur geschah in Ländern mit ganz geringer
Bevölkerung, wo die Deportierten den Stamm mit hergaben, um die Be-
völkerung eigentlich erst aus sich herauswachsen zu lassen. Nun sind aber
unsere tropischen Kolonien bereits gegenwärtig so stark bevölkert, daß für
einen Deportationsversuch dorthin die gleiche Voraussetzung ohne weiteres
wegfällt. Die Gouverneure erklären, daß in ihren bevölkerten Gebieten für
derartige Sträflinge in der That kein Raum sei und daß, wenn man einen
Versuch mit der Deportation machen wolle, man ihn dahin richten müsse,
wo die Bevölkerung noch verhältnismäßig gering im Lande ist. Diese Be-
denken, meine Herren, sind bis zu einem gewissen Grade auch für das Ge-
biet unserer übrigen ostafrikanischen Kolonien entscheidend, sie werden in
manchen Teilen allerdings nicht so durchgreifend sein. Für diese treten
aber wieder zwei andere Gründe ein, die ernste Beachtung beanspruchen.
Einmal liegen die Gebiete, die wegen ihrer geringen Bevölkerung und wegen
ihrer gesunderen, klimatisch den Weißen zuträglicheren Verhältnisse sich für
den Aufenthalt von Sträflingen eignen würden, so weit im Innern, daß
schon der Transport allein Kosten verursachen würde, gegen welche die
Kosten der Unterbringung in Gefängnissen bei uns sehr zurücktreten müßten.
Außerdem würde nötig sein, eine so starke Bewachung dieser Sträflinge
vorzusehen — und zwar durch weiße Aufseher, da farbige Leute für diesen
Aufsichtsdienst Weißen gegenüber nicht verwendet werden können —, daß
damit die Kosten sich noch weiter erheblich steigern würden. Am wenigsten,
meine Herren, fallen diese Gründe — obwohl auch noch schwer genug, aber
doch im Verhältnis zu den anderen Kolonien am wenigsten — ins Gewicht
gegenüber unserer Kolonie Südwest-Afrika. Aber darüber besteht nach den
Berichten des Gouverneurs kein Zweifel, daß in der Kolonie selbst ein
Versuch mit einer Deportation von Sträflingen der entschiedensten Ab-
neigung begegnen würde. Hier vor allem kommt auch in Betracht, daß
die Leute weit ins Innere gebracht werden müßten, daß sie unter steter
weißer Aufsicht gehalten werden müßten und nach den dortigen Verhält-