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Orient nichts gethan, er hoffe, daß die Evangelischen besonders auch durch
ihren Wandel die Wahrheit ihres Glaubens bezeugen und bekräftigen
würden. Dann werde auf dieser Feier die Gnade Gottes ruhen und
reichen Segen schaffen. Das wünsche und erhoffe er mit allen Anwesenden.
zurnmn Sie das den Evangelischen, besonders den Deutschen, welche
hier sind.“
Im Anschluß an die kirchliche Feier verliest der Kaiser folgende
Ansprache: Gott hat in Gnaden Uns verliehen, daß Wir in dieser allen
Christen heiligen Stadt an einer durch ritterliche Liebesarbeit geweihten
Stätte das dem Erlöser der Welt zu Ehren errichtete Gotteshaus haben
weihen können. Was Meine in Gott ruhenden Vorfahren seit mehr als
einem halben Jahrhundert ersehnt und als Förderer und Beschützer der
hier im evangelischen Sinne gegründeten Liebeswerke erstrebt haben, das
hat durch die Erbauung und Einweihung der Erlöserkirche Erfüllung ge-
funden. Mit der werbenden Kraft dienender Liebe sollen hier die Herzen
zu dem geführt werden, in dem allein das geängstigte Menschenherz Heil,
Ruhe und Frieden findet für Zeit und Ewigkeit. Mit fürbittender Teil-
nahme begleitet die evangelische Christenheit weit über Deutschlands Grenzen
hinaus unsere Feier. Die Abgesandten der evangelischen Kirchengemein-
schaften und zahlreiche evangelische Glaubensgenossen aus aller Welt sind
mit Uns hierher gekommen, um persönlich Zeugen zu sein der Vollendung
des Glaubens= und Liebeswerkes, durch welches der Name des hbchsten
Herrn und Erlösers verherrlicht und der Bau des Reiches Gottes auf
Erden gefördert werden soll. Jerusalem, die hochgebaute Stadt, in der
unsere Füße stehen, ruft die Erinnerung wach an die gewaltige Erlösungs-
that unseres Herrn und Heilandes. Sie bezeugt uns die gemeinsame Ar-
beit, welche alle Christen über Konfessionen und Nationen in apostolischem
Glauben eint. Die welterneuernde Kraft des von hier ausgegangenen
Evangeliums treibt Uns an, ihm nachzufolgen, sie mahnt Uns in glaubens-
vollem Aufblick zu dem, der für Uns am Kreuze gestorben, zu christlicher
Duldung, zur Bethätigung selbstloser Nächstenliebe an allen Menschen, sie
verheißt Uns, daß bei treuem Festhalten an der reinen Lehre des Evange-
liums selbst die Pforten der Hölle Unsere teuere evangelische Kirche nicht
überwältigen sollen. Von Jerusalem kam der Welt das Licht, in dessen
Glanze Unser deutsches Volk groß und herrlich geworden ist. Was die
germanischen Völker geworden sind, das sind sie geworden unter dem Panier
des Kreuzes auf Golgatha, des Wahrzeichens der selbstaufopfernden Nächsten-
liebe. Wie vor fast zwei Jahrtausenden, so soll auch heute von hier der
Ruf in alle Welt erschallen, der unser aller sehnsuchtsvolles Hoffen in sich
birgt: Friede auf Erden. Nicht Glanz, nicht Macht, nicht Ruhm, nicht
Ehre, nicht irdisches Gut ist es, was wir hier suchen, wir lechzen, flehen
und ringen allein nach dem Einen, dem höchsten Gute, dem Heil unserer
Seelen. Und wie Ich das Gelübde Meiner in Gott ruhenden Vorfahren:
„Jch und Mein Haus, Wir wollen dem Herrn dienen“ an diesem feier-
lichen Tage hier wiederhole, so fordere Ich Sie alle auf zu gleichem Ge-
löbnisse. Jeder sorge in seinem Stande und Berufe, daß alle, welche den
Namen des gekreuzigten Herrn tragen, in dem Zeichen dieses hochgelobten
Namens ihren Wandel führen zum Siege über alle aus der Sünde und
der Selbstsucht stammenden finsteren Mächte. Gott verleihe, daß von hier
aus reiche Segensströme zurückfließen in die gesamte Christenheit, daß auf
dem Throne wie in der Hütte, in der Heimat wie in der Fremde Gott-
vertrauen, Nächstenliebe, Geduld im Leiden und tüchtige Arbeit des deut-
schen Volkes edelster Schmuck bleibe, daß der Geist des Friedens die evan-
gelische Kirche immer mehr und mehr durchdringe und heilige. Er, der