Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

28 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 3.) 
didaten zu empfehlen, damit bei den Stichwahlen der Einfluß unserer 
Partei in die Wagschale geworfen werden kann. Für die Stichwahlen gilt 
ebenfalls die Parole: gegen die Sozialdemokratie! Wo mit diesen aber 
Parteien, die in politischer und wirtschaftlicher Beziehung mit der Sozial- 
demokratie gleich zu erachten sind, in Konkurrenz stehen, ist die Entscheidung 
von Fall zu Fall vorbehalten.“ 
3. Februar. (Reichstag.) Postetat. Reformen im Post- 
wesen. Stellung zu den Privatposten. 
Abg. Müller-Sagan (fr. Vp.) fragt nach dem Stande der Post- 
reform und wie sich die Verwaltung zu den Privatposten, die im öffent- 
lichen Interesse nötig seien, stelle. Staatssekretär im Reichspostamt, 
v. Podbielski: Die Steigerung der Einnahmen betrug im vorigen Jahre 
7 v. H. Wenn die Einnahme nur um 5 v. H. erhöht ist, so geschah dies 
aus Gründen der Vorsicht. Sie können nicht erwarten, daß ich mit einer 
großen Reformrede hier vor Sie hintrete, die vielleicht nachher mißver- 
standen wird. Die dem Bundesrat vorgelegte Vorlage enthält eine Erhöh- 
ung des Briefgewichts und die Ermäßigung des Stadtportos. Ich habe 
in der Budgetkommission keine bindende Erklärung dahin abgegeben, daß 
ich die Interessen der Privatindustrie berücksichtigen würde. Ich habe den 
Privatanstalten kein Einspruchsrecht gegenüber der Reichspost zugestehen 
wollen. Was der Vorredner von dem Parallelogramm der Kräfte sagte, 
war irrtümlich. Für mich gilt nur die Erwägung: gelten die Maßregeln 
der Allgemeinheit, so müssen sie ausgeführt werden; handelt es sich aber 
um Sonderinteressen, so müssen sie gegeneinander abgewogen werden, und 
zwar nach dem Grundsatz von Leistung und Gegenleistung. Im Monat 
Oktober haben Konferenzen aus den Kreisen der Gewerbetreibenden und 
des Handels stattgefunden, um die Wünsche dieser Kreise zu hören. Es 
liegt mir fern, die Privatpostanstalten mit der Keule der Gesetzgebung tot- 
schlagen zu wollen. Es liegt mir nur daran, den geschlossenen Brief für 
die Post zu reklamieren, wie dies überall in den anderen Staaten der Welt 
der Fall ist. Wir haben ununterbrochen verhandelt; es sind aber eine Reihe 
von Faktoren zu hören, ehe die Vorlage an den Bundesrat und Reichstag 
gelangen kann. Ich hoffe, daß die Sache noch in diesem Jahre zum Ab- 
schluß kommen wird. Auf die Verhältnisse der einzelnen Privatposten ein- 
zugehen, halte ich nicht für angebracht. Vielleicht können wir in einigen 
Wochen schon eingehend darüber verhandeln. Der Vorredner behauptet, 
daß die Privatposten nur im Gesamtinteresse gearbeitet haben. Das ist 
nicht richtig. Sie haben nur private Erwerbsthätigkeit getrieben. Neue 
Anordnungen über die Drucksachenbeförderung sind nicht ergangen. Natur- 
gemäß werden die Briefe als die wichtigeren Sendungen in erster Linie be- 
rücksichtigt; wenn nicht alles befördert werden kann, werden die Drucksachen 
zurückgelassen. Wir können zwar nicht riechen, welche Drucksendungen 
eilig sind, aber wir haben doch ein gewisses Unterscheidungsvermögen. Die 
Drucksachen, die uns in Körben übergeben werden, halten wir nicht für so 
eilig. Ob besondere Bestimmungen getroffen werden, hängt von der Ent- 
wickelung des Verkehrs ab, namentlich, wenn alles billiger gemacht werden 
soll. Bezüglich der Bestellgänge für Berlin habe ich zu erklären, daß z. Z. 
eine Beschränkung derselben nicht beabsichtigt wird. Aber wenn ein Bestell- 
gang sich nach den Beobachtungen nicht lohnt, dann muß er eingezogen 
werden. Es ist sehr schwer, eine buchmäßige Rechnung festzulegen zwischen 
den einzelnen Verwaltungszweigen der Post. Telegramm- und Porto- 
gebühren kann man gar nicht auseinanderhalten, weil viele Telegramme 
mit Briefmarken bezahlt werden. Das Ergebnis ist, daß wir bei den Tele-
	        
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