Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

386 Nebersicht der politischen Eutwichelunz des Jahres 1898. 
fach und nahm ohne bedeutende Verluste Kartum und das ge- 
samte obere Nilland ein. Das Vordringen nach Süden suchte 
Frankreich vergeblich zu durchkreuzen. Es hatte im Sommer die 
Fa. Stadt Faschoda am Weißen Nil durch eine kleine Expedition be- 
ee- setzen lassen, um sich Ansprüche auf die oberen Nilprovinzen zu 
sichern und sein nord- und mittelafrikanisches Kolonialreich nach 
Osten zu erweitern, aber vor der kategorischen Forderung Eng- 
lands, den Posten zurückzuziehen oder Krieg zu gewärtigen, gab 
die französische Regierung ihren Anspruch auf (Anfang November). 
Die Erregung, die die Verhandlungen hierüber in der öffentlichen 
Stimmung der beiden Länder zurückließen, verschärfte die Span- 
nung zwischen beiden Staaten, deren Interessen ohnehin im Mittel- 
meer, in Afrika und Asien kollidieren, außerordentlich, und kurz 
nach Jahresschluß ist eine neue Differenz über Madagaskar hinzu- 
gekommen, wo die englischen Kaufleute laute Beschwerden wegen 
ungebührlicher Handelsbeschränkungen erhoben haben. 
Kreta- Die orientalische Frage, die die europäischen Regierungen in 
frage, den letzten Jahren so viel beschäftigt hat, ist anscheinend in ein 
ruhigeres Stadium getreten, seitdem die Mächte Kreta von der 
türkischen Verwaltung befreit und der Insel eine Autonomie unter 
nomineller türkischer Oberhoheit gegeben haben. Die Pforte wider- 
strebte jeder Anderung und namentlich der Ernennung des Prinzen 
Georg von Griechenland hartnäckig, neue mörderische Aufstände 
und Bürgerkriege auf der Insel forderten aber gebieterisch die Be- 
seitigung des alten Zustandes, und der Sultan mußte sich den 
Großmächten schließlich fügen. — Es waren nicht mehr sämtliche 
Großmächte an dem Pazifizierungswerke beteiligt, sondern nur noch 
Rußland, Frankreich, England und Italien; Deutschland und 
Osterreich-Ungarn hatten ihre Truppen von der Insel zurückgezogen, 
da sie dem Sultan den neuen Gouverneur nicht aufdrängen wollten 
(S. 187). 
Deutsch- Von Deutschlands internationaler Stellung ist bereits die 
land. Rede gewesen; hier ist noch nachzutragen, daß die Reise des Kaiser- 
paars nach der Türkei das Ansehen Deutschlands im Orient hob 
und durch die Proklamierung des deutschen Protektorats über alle 
Deutschen im Auslande ohne Unterschied der Konfession einen
	        
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